Consigliere Dröfke und der Bordeauxvirus - Infiziert mit einem 1970 Chateau Latour Grand Vin

von Marc Dröfke
Es gibt bestimmte Weine, die verursachen beim Weinaffinen schon Wochen zuvor ein Kribbeln in der Bauchgegend, vorausgesetzt man heißt nicht Parker, Gabriel oder Becker und hat solche Weine fast jeden Monat im Glas.

So ging es mir auch, als ich erfuhr, dass ich im Zuge einer Bordeaux Probe einen Chateau Latour ins Glas bekommen würde. Latour. Ein großer Name, der für viele Weinverrückte als u.a. bester Wein der Welt gilt. Die Kehrseite der Medaille ist der zum Teil extrem hohe Preis, der für diesen 0,75 Liter vergorener Traubensaft verlangt wird.

Die Preise für den von mir getrunkenen 1970ger schwanken zwischen 250 und 640 Euro und dann ist es nicht mal sicher, ob die Flasche geeignet gelagert wurde. Das Problem eines korkenden Weins, dürfte jeder schon einmal erlebt haben. Ganz besonders bitter ist es natürlich, wenn es sich um ein solch hochpreisiges Gewächs handelt. Natürlich sind 250 Euro ein Haufen Kohle und für viele ist es wohl undenkbar so viel Geld für eine Flasche Wein auszugeben. Dennoch kann ich es jedem nur empfehlen, denn es lohnt sich wirklich.

Ein Tipp von mir: Organisiert eine Probe im privaten Kreis mit einer bestimmten Anzahl von Teilnehmern und widmet euch dem Thema Bordeaux. Als Highlight bringt ihr eine Flasche mit ein, die etwas höher bepreist ist. Die Kosten werden durch die Umlegung auf die Anzahl der Teilnehmer erträglicher.

Bei der Probe am Samstag waren wir zu acht. Für mich war das fast die perfekte Anzahl, nicht zu viele aber auch nicht zu wenig. Wir tranken neben dem Latour noch 5 andere Bordeauxweine aus dem Jahrgang 1970, Chateau Ducru-Beaucaillou, Vieux Chateau Certan, Chateau Pavie, Chateau Palmer und Chateau Canon la Gaffeliere. Zur Einstimmung gab es einen Cremant von Parigot, sowie einen Champagner von David Leclapart. Eine wirkliche Entdeckung und Empfehlung. Der Stoff hat mich begeistert. Trotz dieser Fülle an Weinen, war die Probe sehr viel billiger, als man für eine Flasche Latour einzeln abdrücken müsste und man erhält einen viel größeren Einblick in den Jahrgang und die unterschiedlichen Stilistiken und Potenzial der verschiedenen Chateaus.


Zurück zum Latour. Das Chateau hat, nebst Lafite-Rothschild, Mouton-Rothschild, Haut- Brion und Margaux, die Stellung eines Premier-Cru Weinguts. Diese im Jahre 1855 in Paris vorgenommene Bewertung, hatte immense Auswirkung auf den Preis des Weines. Ob sich dieser höhere Preis qualitativ rechtfertigen lässt, mag man hin und wieder bezweifeln. Die Faszination, die von diesen Weinen ausgeht ist jedoch zweifelsfrei.

Chateau Latour liegt im äußersten Südosten der Gemeinde Pauillac, im Vorort St. Lambert an der Grenze zu Saint-Julien, nordwestlich von Bordeaux. 65 Hektar Land darf das Chateau sein eigen nennen, welches zu 75% mit Cabernet Sauvignon, 20% Merlot, 4% Cabernet Franc und 1% Petit Verdot bestockt ist. 
Das Chateau gehört dem französischen Unternehmer und Kunstsammler François Pinault, dem über seinen Luxusgüter-Konzern PPR, neben diesem Chateau, u.a. auch die Marken Gucci und Puma gehören. Betreut wird das Weingut von einem 66 köpfigen Team um Frederic Engerer. Der Latour gilt im Vergleich mit den anderen ersten Gewächsen, als sehr kraftvoller Wein, der oft eine längere Kellerreife benötigt, um wirklich zeigen zu können was in ihm steckt. Ebenso produziert das Chateau auch in vermeintlich kleineren Jahren (fast) immer einen verlässlichen Wein.

1970 soll ein relativ guter Jahrgang im Bordeaux gewesen sein, der eine Periode von mehreren schlechteren Jahrgängen durchbrach. Ich bin kein ausgesprochener Bordeauxexperte und kann das nicht ganz objektiv beurteilen. Ich habe auch noch keine Bordeauxs aus den Jahren davor oder danach getrunken.

Die erste Sache, die mir sofort auffällt, nachdem der Wein ins Glas geflossen ist, die Weine wurden zunächst blind serviert, ist die auffallend jugendliche Farbe. Recht dunkler Kern mit Aufhellung in Richtung kirschrot am Rand.

Die Nase war zunächst recht verschlossen, der Wein gab kaum etwas von sich Preis. Aber mit etwas Zeit im Glas und mit mehr Luft, kann er dann doch noch auftrumpfen. Erst Trüffel, Leder, viele Würze, dann dunkle Schokolade und Walnussschale. Nach einer Stunde im Glas kommt immer deutlicher die Frucht zum Vorschein. Und zwar in Form von eher dunklen, erdigen Früchten, Schwarzkirsche, Cassis.

Nachdrücklich beeindruckt hat mich die Power im Mund. Vom ersten Schluck an, zeigt dieser Wein einen Druck am Gaumen und zwar durchgängig von Anfang bis ins lange Finale. Der Wein ist jedoch kein Blockbuster, sondern vereint diese ganze Power mit einer Eleganz die ich bisher so noch nicht erlebt habe. Alles ist sehr gut ausbalanciert und am rechten Ort. Die Tannine sind noch präsent, jedoch nicht im negativen Sinne. Sie stützen das ganze Gerüst dieses tollen Weines. Auch die Säure fügt sich sehr stimmig in das Gesamtbild ein.

Ein wirklich toller Wein, den man jetzt mit Genuss trinken kann, der aber noch Reserven für einige Jahre im Keller bietet. Für mich persönlich eine tolle Erfahrung einen solchen Wein probiert zu haben. Ob es dem Einzelnen das anfangs angesprochene Geld auch wirklich wert ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Solche Highlights gehören für mich zum Wein trinken dazu und ich will sie nicht missen. In diesem Sinne, Sante!  

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