Consigliere Dröfke und die Keller Kirchspiel Vertikale 2004 - 2009 - Believe the Hype?




von Marc Dröfke 

Das Weingut Keller in Flörsheim-Dalsheim (Rheinhessen) besitzt in Sachen Riesling bereits seit einigen Jahren eine Sonderstellung. Die Begeisterung bezüglich der Weine ist außerordentlich hoch. Dies längt nicht mehr nur in deutschen Gefilden. Die Amerikaner scheinen die Weine auch zu begeistern. Eine große Nachfrage und die geringe Verfügbarkeit spiegeln sich in den zum Teil recht gesalzenen Preisen für die entsprechenden Weine wieder.

In deutschen Weinforen, auf den unterschiedlichen Social Media Kanälen wie Facebook, Twitter und Instagram, sowie in meiner kleinen monatlichen Weinrunde werden Lobeshymnen über die Keller Weine gesungen. Seit geraumer Zeit habe ich mich gefragt, ob diese auch gerechtfertigt sind. Umso gespannter war ich auf eine Weinprobe, die ich vor ein paar Tagen besuchte. Kirchspiel Vertikale 2004 - 2009. Dem einen oder anderen Jahrgang wurde dem Kirchspiel ein Pirat gegenüber gestellt, um zu sehen wie sich der Keller Wein im direkten Vergleich schlägt. Die Weine wurden zunächst blind eingeschenkt.

Das Line-Up sah wie folgt aus:

Jahrgang 2004:
1.Wein: Keller "Kirchspiel" GG 2004
2. Wein: Weingut Wittmann "Kirchspiel" GG 2004

Jahrgang 2005:
3.Wein: Keller "Kirchspiel" GG 2005

Jahrgang 2006:
4.Wein: Keller Riesling "von der Fels"
5.Wein: Keller "Kirchspiel" GG 2006

Jahrgang 2007:
6.Wein: Keller "Kirchspiel" GG 2007
7. Wein: Weingut Groebe "Kirchspiel" GG 2007

Jahrgang 2008:
8.Wein: Keller "Kirchspiel" GG 2008

Jahrgang 2009:
9.Wein: Weingut Dönnhoff "Hermanshöhle" GG 2009
10. Wein: Keller "Kirchspiel" GG 2009

Die Probe begann mit dem Flight aus dem Jahre 2004. Ungemein klar und frisch, sehr fein in der Struktur. Die Säure ist ebenfalls recht präsent, was für mich ein unheimlich wichtiger Indikator für einen tollen Riesling ist. Besitzt genügend Druck und Spannung am Gaumen, besticht jedoch mehr durch seine Finesse und Eleganz. Hat sicherlich noch Reserven für die Zukunft.

Der Wein vom Weingut Wittmann hatte es im direkten Vergleich schwer. Obwohl aus dergleichen Lage stammend, wirkt der Wein in seiner Entwicklung schon sehr viel weiter als sein Kontrahent. Viel reifere Nase mit tropischen Früchten (Mango, Papaya), etwas Honig, weniger mineralisch. Am Gaumen eher gering in Sachen Säure. Sehr cremig. In Sachen Spannung und Struktur fiel er gegenüber dem Keller Wein ebenfalls deutlich ab.

Keine Diskussion am Tisch. Eindeutiger Sieger war das "Kirchspiel" von Keller.

Der dritte Wein kam solo und wir wussten bereits vorher, dass er das Keller "Kirchspiel" aus dem Jahre 2005 sein musste. Der Unterschied im Glas war jedoch frappierend. Ich konnte kaum Parallelen zu seinem Partner aus 2004 ziehen. Der Wein war sehr fett und reif und um ein vielfaches fruchtiger als der 2004er. Kandierte gelbe Früchte, Honig und nur eine ganz, ganz leichte Mineralik in der Nase. Im Mund eher cremig, viel reifer und mit deutlich weniger Säure ausgestattet als der 2004er. Die Mineralität war allerdings spürbar. Im Abgang süßlich.

Im zweiten und gleichzeitig für mich schwächsten Flight des Abends, schlug sich der Einstiegsriesling "von der Fels" aus dem gleichen Hause, trotz des Alters, beachtlich gegen seinen großen Bruder. Allerdings wirkte das "Kirchspiel" etwas eleganter und mit mehr Finesse ausgestattet. Was aber wiederum auffiel, waren die zum Teil wiederkehrenden reifen Noten beim Großen Gewächs. Diese gelben, kandierten Früchte tauchten in (fast) jedem Keller "Kirchspiel" auf.

Der dritte Flight war mit Abstand der Interessanteste. Obwohl beide Weine, wie beim ersten Flight, aus der gleichen Lage stammen, sind Sie grundverschieden. Dieses Mal dominierte aber nicht der Wein von Keller wie beim 2004er Jahrgang, sondern das Kirchspiel von Weingut Groebe setzte die weitaus interessanteren Akzente. Man erkannte Kellersche Stilistik im ersten Wein relativ schnell wieder. Erneut sehr auf die Frucht gestellt und mit viel exotischer Süße unterlegt. Am Gaumen fehlen dann die klar strukturierte Säure und der Druck. Der Wein wirkt sehr behäbig in meinen Augen.

Der Groebe Wein zeigt sich komplett anders. Eher geschlossene Nase, der Stoff gibt zunächst nicht viel von sich Preis. Etwas kalter Rauch, Steinobst, der Wein "stinkt" sogar etwas nach einer Packung Tennisbälle direkt nach dem öffnen. Der Ein oder Andere am Tisch tat sich eher schwer mit dieser Nase, mich zog sie an. Geschmacklich offenbart der Wein seine wahre Stärke. Der Zug am Gaumen, den der Keller Wein so schmerzlich hatte vermissen lassen, ist da. Sehr mineralisch mit extrem langen Finish und einer singenden Säure, so wie ich das liebe. Ein unglaublich spannungsgeladener Wein von Groebe, der noch deutlich Reserven besitzt und zeigt, dass die Lage Kirchspiel auch anders kann: Weniger Frucht und mehr auf die Mineralität getrimmt.

Dieser Flight war ein echter "Eye-Opener". Fast alle rieben sich verwundert die Augen. Ein ausgesprochener Riesling Experte am Tisch meinte anschließend die Flasche von Keller wäre eventuell nicht ganz sauber gewesen. Das kann ich weder bestätigen noch dementieren.

Dann kam ein weiteres "Kirchspiel" von Keller als Solist. Und zwar aus dem Jahre 2008. Nun wartete ebenfalls eine Überraschung auf uns. Zum Glück eine positive. Nach den für mich eher mäßig, gefälligen Weinen aus den drei vorherigen Jahren, zeigte sich dieser Wein von einer anderen Seite. Die Frucht war wieder deutlich zu schmecken, doch dieses Mal fast perfekt verwoben mit einer Mineralität, die ich bei den drei anderen Keller Weinen vermisst hatte. Kalkstein und Rauch kamen ganz deutlich durch. Am Gaumen dann endlich die von mir so vermisste Säure. Der Wein hatte etwas von der Eleganz und Finesse des 2004er, aber mit deutlich mehr Kraft ausgestattet.

So ging es in den letzten Flight des Abends, wo sich zwei nahezu gleichwertige Weine auf Augenhöhe begegneten. Die "Hermannshöhle" von Dönnhoff war der auffallendere Wein. Deutlich mehr Frucht als beim Gegner. Maracuja, Pfirsich aber auch Kräuter kamen klarer durch, als beim "Kirchspiel", welches eher verschlossen wirkt.

Am Gaumen schenkten sich beide nichts. Gute Säure bei deutlichen mineralischen Akzenten. Der Keller Wein hatte etwas mehr Druck am Gaumen und gleitet gleichzeitig etwas leichter über die Zunge. Ich muss allerdings sagen, dass ich zuerst das Kirchspiel hinter dem ersten Wein vermutete, weil es deutlich zur Stilistik der Vorjahrgänge 2005-2007 gepasst hätte.

Ein Fazit über das Keller "Kirchspiel" zu ziehen fällt mir schwer. Natürlich ist das ein ganz klarer, über jede Zweifel erhabener, sauber vinifizierter Wein. Trotzdem mag die grenzenlose Begeisterung für diesen Wein nicht 100%ig auf mich überspringen.

Drei Jahrgänge (2005, 2006,2007) waren für mich persönlich eher schwach. Da fehlte es an Säure und an Präzision. Wäre der tolle 2004er nicht gewesen, hätte ich mir erlaubt zu sagen, dass das Kirchspiel wohl in seinen jungen Jahren richtig gut sein kann, hohe Bewertungen einfährt, aber dann mit der Zeit an Präzision und Klasse verliert. Gut, 2006 war wohl kein wirklich tolles Jahr für deutschen Riesling und vom 2007ner haben wir eventuell eine schlechte Flasche erwischt, was sich sicherlich negativ auf mein Meinungsbild ausgewirkt hat. Die Jahre 2008 und 2009 waren wirklich toller deutscher Riesling auf hohem Niveau.

Trotzdem ist der Stoff kein Wein für den Weinfreak, der nach kompromisslosen Weinen sucht, sondern kann mit seiner Stilistik auch durchaus die große Masse zufrieden stellen.   

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