Consigliere Dröfke und die Ausdrucksstärke der Burgenländer - 2010 Kapitel 1 Christian Tschida
von Marc Dröfke
Die Zeit der großen dicken Wuchtbrummen mit viel Alkohol und Make-Up ist schon eine Weile vorbei. Natürlich gibt es u.a. in Bordeaux, Napa Valley und dem Süden Spaniens Produzenten, die diesen Stil praktizieren und damit nicht schlecht fahren. Ein gewisser Kundenstamm wird sich weiterhin an den hohen Punkten von Mr. Robert Parker, respektive dem Unternehmen, orientieren und diese „Dolly-Buster“- Weine trinken. Für sie kann es nur Parker geben. Oder das, was Parker repräsentiert.
Keine Frage, auch ich mag ab und an einen dicken,
samtigen Cabernet aus Napa. Vorzugsweise zum Steak. Aber ein Glas reicht mir da
oft aus, dann bin ich satt. Satt vom Wein.
Auf der anderen Seite steht eine Fraktion nachhaltig denkender und gut informierter Konsumenten. Sehr stark inspiriert u.a. durch den Hype um die skandinavischen Superstars, wie René Redzepi aus
dem NOMA in Kopenhagen, dem in Stockholm am Herd stehenden
Björn Frantzén und Magnus Nilsson,
der in seinem weit ab vom Schuss befindlichen Restaurant Fäviken, nur Produkte verwendet, die er selbst anbaut
oder aus der unmittelbaren Nähe beziehen kann und damit eine Rückbesinnung zur
Regionalität lebt. Diese Gruppe ist inzwischen eine stetig
wachsende Gemeinschaft geworden.
Ihnen ist demnach auch ein hoch bewerteter Wein so viel wert,
wie dem US-Präsidenten ein „No-Spy“ Abkommen mit den Deutschen. Sie trinken
lieber schlanke, elegante Stöffchen aus Betrieben, die Ihre
Weingärten biodynamisch bewirtschaften und sich ganz den heimischen,
autochthonen Rebsorten verschrieben haben.
Ohne Frage, die Qualität dieser Weine muss stimmen. Einer, der das vermag, ist Christian Tschida aus Illmitz im
Burgenland. Er hat sich eingehend mit der Frage beschäftigt, was besser sei, das
strenge Diktat oder die bedingungslose Zurückhaltung.
Was sich zunächst etwas abwegig anhören mag, offenbart
die Denkweise von Tschida. Er ist davon überzeugt ist, dass die Traube, nachdem
man ihnen im Weinberg ein Maximum an Charakter und Finesse abgerungen hat, im
Fass völlig frei zur Entfaltung kommen soll. Die Weine gären spontan, bleiben
naturbelassen und werden ausschließlich in Eichenfässern in Größen von 225 bis
1500 Litern gelagert. Manchmal bis zu vier Jahre, um dann natürlich ohne
jegliche Art von Filtration auf die Flasche gezogen zu werden.
Seine Einstiegsdroge im Rotweinsegment nennt sich Kapitel
I und ist eine Assemblage aus Zweigelt und Cabernet Franc. Der Wein liegt zum
Großteil in 500 Liter Fässern. Der Neuholzanteil liegt bei 25%.
Im Glas ein Wein in mitteldunklem Gewand, dem man ansieht,
dass er nicht filtriert worden ist. Die Nase ist unheimlich vielschichtig. Kurz nach dem
Einschenken viel dunkle Johannisbeere und ganz leicht Vanille. Dieser Eindruck
verfliegt aber ebenso schnell, wie er gekommen ist. Danach Weichsel, nasse Asche,
rote Beete, Lakritz, etwas Abrieb von einer Orange und Zwetschge. Alles
unterlegt mit einer unheimlichen erdigen, mineralischen Kräuterwürze.
Im Mund besticht dieser Wein, neben seiner Kargheit,
sowie dieser wunderbaren kühlen Frucht, durch seine unheimliche elegante Note,
hat aber noch genügend Druck am Gaumen. Die pikante Säure trägt neben einer
zarten Bitterkeit dazu bei, dass dieser Wein so animierenden Trinkfluss verspricht. Wieder Weichsel, etwas schwarze Johannisbeere neben
Schokolade, Espresso und Kräuter prägen die Aromata im Mund.
Christian Tschida beweist mit diesem Wein einmal mehr,
dass einige Österreicher ganz vorne mit dabei sind, wenn es um
ausdruckstarke, eigensinnige, karge und kühle Rotweine geht, die weg von
jeglichem uniformierten Einheitsbrei vinifiziert werden.
Hier zu beziehen für 19,10€.
Der Direttore möchte darauf hinweisen, dass wir für Verlinkungen, Verkostungen, etc. keinerlei Geld erhalten.
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