Die zweite Platte ist immer die schwerste – 2012 Grosse Gewächse von Balthasar Ress
Der Direttore und der Würtz oder vinophile Zweiradqual |
Wie viele Künstler sind nach einem gelungenen Debüt an ihrer Nachfolge
Platte gescheitert? Wie viele One Hit Wonder sind nie über eine gute Nummer
hinaus gekommen? Und wie vielen Interpreten hat das Weitermachen eher geschadet
als geholfen? Gut, David Hasselhoff konnte an seinem Karrierehöhepunkt noch
schnell die deutsche Wiedervereinigung in die Wege leiten, aber heute würde man
sich freuen, wenn er es dabei belassen hätte.
Das Weingut Balthasar Ress in Eltville-Hattenheim (Rheingau) ist seit
einigen Jahren rastlos. Die Mannschaft um Inhaber Christian Ress weiß, wie man stetig
seine 15 Minuten Ruhm, frei nach Warhol, zu wiederholen vermag. Angefangen vom
Bau einer WineBank über die Möglichkeit einer Rebstockpacht auf Sylt für den
geneigten Anhänger des Guts bis hin zu zur Versenkung einiger Flaschen Riesling
auf den Boden eines Sees. Mediale Aufmerksamkeit und Unterhaltung des
vinophilen Publikums sind dem Weingut auffällig gelungen.
Doch alles ist nichts, wenn am Ende die Narkolepsie aus dem Glase
schreit. So wurde vor einigen Jahren Weinmacher, Erfolgsblogger und „Stern“-Video
Moderator Dirk Würtz verpflichtet. Anfangs verantwortlich für die Weine, heute
sogar Betriebsleiter.
Wie richtig dieser Schritt war, bewies eindrucksvoll die 2011er
Kollektion der Grossen Lagenweine. Man sprach endlich mal wieder über den Rheingau.
Die Weine vermochten zu polarisieren. Von Unverständnis bis hin zum Ritterschlag des
Avantgarde Künstlers. Der neu definierte Herkunftsgedanke von Dirk Würtz und
seinem Team bedurfte der vollen Aufmerksamkeit einer Wein-Gemeinde, die von
teilweise vorhandener Rheingau Lethargie in einen geschmacklichen Dämmerschlaf versetzt wurde.
Das darf man an dieser Stelle ruhig auch mal Verdienst nennen. Aber
vermag es Ress auch nachzulegen? Was bringt uns 2012 ins Glas? War 2011 ein One
Hit Wonder ohne Nachhaltigkeit? Die Antwort lautet ganz klar nein. Vielleicht
sind die Weine nicht mehr ganz so laut, vielleicht sind sie erwachsener
geworden, vielleicht war dies nicht das Jahr des Berg Rottlands, aber eines ist
ganz sicher, in Sachen Avantgarde, Spannung, Diversität und Authentizität liegt
die Kollektion ganz weit vorne. Im Rheingau sowieso, in Deutschland immer noch.
Des Direttores Eindrücke
2012 Hattenheim Wisselbrunnen Balthasar Ress
Die noch
etwas reservierte Nase erinnert an feine Williams Christbirne, Aprikosen und
Zitrone. Ergänzt wird das Bukett durch markante Kräuterwürze, Kalkstein und den
Geruch einer Scheune. Profis würden wahrscheinlich von Altholz sprechen. Das
Ganze wirkt reduktiv. Anregend. Am Gaumen ordentlich druckvolle und griffige
Struktur. Anspornende herbe mineralische Noten. Vitale und sehr feingliedrige
Säure. Die salzige Komponente lässt den Wisselbrunnen fast schon mediterran
wirken. Überraschend komplex und tief. Starker und langer Abgang. Die
Mannigfaltigkeit unterhält ungemein. Jeder Schluck ist anders. In diesem
Stadium schon Amüsement bis zum letzten Schluck.
2012 Hattenheim Nussbrunnen Balthasar Ress
Sehr introvertierte und feine Aromen nach reifen Birnen, Loquats und
Booskop Äpfeln. Leichter, herber Kalkstein, florale Noten nach Margeriten. Saubere Nase, abgeklärt duftig. Am Gaumen äußerst abgeschliffene und pikante
Säure. Primär von samtiger und saftiger Struktur. Sekundär ein mineralisches
und trockenes Schwergewicht. Zartsüße Frucht. Steht für eine kleine Ewigkeit im
Nachgang. Animierende Herbe im nachhaltigen Finish. Bei aller anfänglichen
Zurückhaltung, präsentiert sich der Nussbrunnen überraschend divergent. Autark,
spannend, lang.
2012
Rüdesheim Berg Schlossberg
Änfanglich
leicht Exotik in der Nase. Guave und Maracuja. Frische Citrusfrüchte
unterstreichen die kühle Eleganz. Zuträglicher nussiger Touch und kernige nasse
Erde. Das Ganze im stimmigen Einklang. Erweckend. Am Gaumen spannende
Divergenz. Auf der einen Seite der kraftvolle, herbe und mineralische Eindruck.
Wie ein sanfter Biss in eine reife Grapefruit. Auf der anderen Seite eine
äußerst edle und harmonisch-süße Frucht. Feine Säure. Stoffiger Körper.
Unheimlich rutschfestes, griffiges und ewiges Finish. Die verschiedenen
Komponenten ergeben am Ende einen überraschend noblen Wein. Man könnte sich
stundenlang damit beschäftigen. Enormer Trinkfluss! Unterhaltung pur. Ich mag
das.
Zu beziehen hier.
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