Wein und Zeit - 1974 Riesling Siegerrebe Spätlese Emil Hammel & Cie.

Die Liebe zum Wein hat auch etwas höchst Nostalgisches. Jede Flasche erzählt prinzipiell eine kleine Geschichte der Vergangenheit. Sie berichtet über vergangene Jahreszeiten, über vergangene klimatische Bedingungen, über Ausflüge ins Holz, in Edelstahltanks oder auch in Tonkrüge. Der Inhalt einer Flasche Wein berichtet über die Arbeit des Winzers, die Liebe oder das Desinteresse an Qualität, ob Künstler oder Produzent. Die Geschichte einer Flasche Wein begleitet die Geschichte von uns allen, die gerne ein Glas genießen. Manche Weine behält man für immer im Gedächtnis und andere verdrängt am besten kurz nach dem "Erlebnis". Entgegen dem Jungweinwahn, war es heute einmal an der Zeit einen Altwein zu öffnen. Die Reise führt uns zurück in das Jahr 1974. Helmut Schmidt wird neuer deutscher Bundeskanzler. Richard Nixon verlässt das Weiße Haus. Das Jahr wurde vor allem durch die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland, bei der die deutsche Nationalelf den Meister-Titel gewann, sowie den Boxkampf zwischen Muhammad Ali und George Foreman in Zaïre („Rumble in the Jungle“) ins Gedächtnis geprägt. Das Weingut Emil Hammel & Cie. an der Haardt in der Pfalz, früher Rheinpfalz, wurde damals von Rudolf Hammel geführt. Das Weingut war eher als klassischer Rotweinproduzent bekannt. Entgegen der gängigen Meinung, dass nur Rotweine altern können, verkostet der Direttore eine 1974 Riesling Siegerrebe Spätlese. Riesling, gerade Spätlesen, Trockenbeerenauslesen etc. können Jahrzehnte, manche wenige Jahrhunderte, altern. Einen gereiften Riesling von einem vernünftigen Produzenten ins Glas zu bekommen, ist eine spannende Erfahrung. Lehrreich und nicht selten äußerst genussreich. Ich bin über die Jahre zu einem glühenden Anhänger von alten Rieslingen geworden. Jede Flasche weiß eine Geschichte zu erzählen. Bei diesem Exemplar gesellt sich die Siegerrebe dazu. Kleiner Exkurs: "Die Siegerrebe ist eine weiße Rebsorte, deren Beeren leicht rötlich sind. Sie ist eine Neuzüchtung, die aus einer Kreuzung zwischen Madeleine Angevine und Gewürztraminer aus dem Jahr 1929 entstand. Züchter ist der an der Alzeyer Landesanstalt für Rebenzüchtung tätige Dr. Georg Scheu (bekannt durch die nach ihm benannte Scheurebe). 1958 wurde der Sortenschutz erteilt und sie wurde in die Sortenliste eingetragen. Laut Georg Scheu sei die Sorte aus einer frei abgeblühten Mutterpflanze der Sorte Madeleine Angevine entstanden." Quelle Wikipedia.de. Im Glas zeigt sich der 1974er im bronzenen, rostigen Honiggelb. Auffallend feine Nase nach Arkazienhonig, Rosinen, Datteln und reifen gelben Früchten. Leichte Nuancen nach Petrol. Am Gaumen unglaublich lebendig und weich strukturiert. Elegante Fruchtkonzentration. Das Ganze wirkt unheimlich harmonisch mit einem langen Finish nach Grapefruit. Ich bin begeistert, wie viel Leben und Energie in diesem Wein noch steckt! Erneut eine unglaublich spannende Erfahrung. Ich kann jedem Weinfreund nur ans Herz legen nicht immer den neuesten Jahrgängen hinterher zu jagen, sondern sich entschleunigt etwas reiferen Exemplaren zu widmen. Euer Gaumen wird es Euch danken...

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