Werdet zu Staub und Erde, vergesst die Rebsorten! oder Wein am Limit Live Verkostung Nummer 5

Gestern rief Master Sommelier und Weinonliner Hendrik Thoma zum fünften Mal zu seiner Live Verkostung auf der Videoblogplattform „Wein am Limit“ auf. Ich folgte dieser Aufforderung gerne. Die vergangenen Events bewiesen, dass sich dort tiefenentspannte und weinaffine Zeitgenossen auf einer wohlwollenden und genussvollen Abendveranstaltung treffen, ohne den üblichen und häufigen Zynismus der übrigen Zusammenkünfte bezüglich Wein im Web 2.0.

Der Ablauf ist relativ einfach. Man kann vorab die Weine, die zur Verkostung auf dem Programm stehen, bestellen und diese dann gemeinsam mit allen Gleichgesinnten live begleitend zu einem Videostream kommentieren.

Hendriks heutiger Gast war Eduard Tscheppe-Eselböck, der gemeinsam mit seiner Frau Stephi das 14 Hektar große Weingut Gut Oggau im Burgenland nach biodynamischen Grundsätzen bewirtschaftet. Ein wahrer Philosoph mit Mut zur Individualität. Es entwickelte sich eine spannende Unterhaltung über alternative Weininterpretationsmöglichkeiten und deren Akzeptanz auf dem Markt. Kurzweilig und intensiv. Wer möchte, kann dies hier in den nächsten Tagen nachverfolgen.

Im Glas durfte man eine gehörige Portion an Ursprung und Herkunft vernehmen. Alternativer Weinbau aus Österreich im besten Sinne. Mehr Kunst als Marke.

2011 Riesling “In der Wand” Weingut Pichler-Krutzler, Wachau
Elizabeth Pichler und Erich Krutzler, beide aus renommierten Weinhause, gründen 2006 ihr eigenes Weingut. Die Intension ist deutlich. Lagenauthentizität und Handarbeit gegen modische Tendenzen. Die Vorstellung eines fettigen Wachauer Rieslings wird mit dem „In der Wand“ widerlegt. Marille, reifes Steinobst, frischer Citrusfrüchte, Gartenkräuter steigen einem in die Nase. Erstaunlich reif und abgeklärt. Am Gaumen primär von präsentem Schmelz geprägt. Etwas säureärmer, jedoch weist er eine gute Balance zwischen der opulenten Frucht und der herben und frischen Mineralik auf. So wirkt er elegant und raffiniert. Seiner Jugend mag geschuldet sein, dass er im Finish etwas kurz und schwach wirkt.

2011er Timotheus Gut Oggau, Burgenland Cuvee aus Grünem Veltliner und Weissburgunder
Die burgendländische Marktgemeinde Gut Oggau ist die älteste Rotweingemeinde Österreichs. Diese lässt sich bis zur frühen Römerzeit zurückverfolgen. Das Ehepaar Tscheppe verschreibt sich dem biologisch-dynamischen Weinbau in Umstellung auf Demeter. Die Gesichter auf den Etiketten und deren historischer Hintergrund, sollen die Charaktervielfalt jedes einzelnen Weines beschreiben. In der Nase erlebt man beim „Timotheus“ eine Art Chamäleon. Wechselwirkende Aromen. Von Rotweintönen wie bei einem Pinot Noir, über das deutlich präsente Holz, erdigen Noten, Speck und Rauch, Dörrobst, überreifen Bananen, dieser oxidativ ausgebauter Wein ist extrovertiert und äußerst facettenreich. Dadurch besteht die Gefahr des Polarisierens, was ihn mir natürlich umso mehr sympathischer macht. Er ist ein ruhiger Wein. Rassige Säure sucht man vergebens. Timotheus ist von cremiger Struktur und eindrucksvoller Länge. Mehr Herkunft als Rebsortentypizität. Ein dramatischer Wein, der einen stundenlang aufpeitscht. Wäre er vorher nicht schon leer… Grandios!

Beide Weine liegen preislich irgendwo zwischen 22 und 30 Euro und sind hier erhältlich.

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