Die neue "Vinum" – Printrevolution oder Rohrkrepierer?
Printtitel haben es in Zeiten der digitalen Gesellschaft nicht
leicht. Wegen einer Nachricht als solches braucht sie kein Mensch mehr. Die
Flinkheit von Social Media und anderen Webpräsenzen bringt aktuelles in Sekundenbruchteilen an den Menschen. Ähnlich steht es mit Trends. Der klassische
Journalist oder der subkulturelle Fachmann steht vor dem Phänomen, dass semiprofessionelle
Publizisten heute den exakteren Riecher für kontemporäre Trends beweisen.
Was bleibt den Printtiteln heute also noch? Hintergrund und
Regionalität zum einen, zum anderen die unbedingte Pflicht, sich selbst neu zu
erfinden. Nicht nur im Layout, sondern in ihrer Daseinsberechtigung. Noch geht
es vielen Titel relativ gut. Selbstverständlich. Wir leben auch noch nicht gänzlich in der
Generation der kollektiven Akzeptanz von digitalen Medien. Doch diese Zeit wird kommen. Die
Blätter der gedruckten Dinosaurier werden welk.
Das Ganze beschreibt kein Untergangsszenario im klassischen
Stil und diese Erkenntnis ist zudem nicht neu. Es ist ein logischer Schritt der
digitalen Evolution. Wer die Depression
an der Garderobe abgibt, der wird überleben. Print hat heute noch eine Chance.
Vor allem in der Nische. Ohne Zielpublikum und Fesseln des klassischen
Journalismus.
So probiert sich auch der Weintitel „Vinum“ mit neuem Chefredakteur
Stephan Reinhardt. Vorab bekannt als Weinspürhund des „Weinwissers“. Selbstbewusst und ohne Scheu versprach man revolutionäres. Das Cover der
letzten Ausgabe ließ ein Wind von Neuerung durch den Bahnhofskiosk wehen. Man
sah einen in die Jahre gekommenen Superheld, der seinem Kostüm entwachsen zu
sein scheint mit dem Titel „Super Toskaner – Helden von Gestern“. Nach langem
ein durchaus origineller Titel.
Ab dem dritten Heft unter Führung Reinhardts versprach man
den kompletten Wechsel. Das Cover kommt dieser Ankündigung in keinster Weise
nach. Der Aufhänger „Pinot Noir“, die „gratis
Trinkreifetabelle“ und ein neuen „Weinguide“ lassen Reinhardt nicht zu einem Jean Paul Marat mutieren.
Nun, wie beim Wein, so warten wir gönnerhaft den Inhalt ab.
Und siehe da, hier finden wir eine kleine Miniatur Demonstration angeführt von Rudi Dutschke
und Andy Warhol als Doppelspitze. Ansprechende Diversität im Layout. Siehe den Artikel „New York
Wine City Diary“ von Stuart Pigott, der in einer Art Noir Comic Stil gehalten
ist und auch inhaltlich Laune zu verbreiten weiß. „Tatort Nierstein“, „Bordthäusers
Sensorikschule“, „Currywurst und Chasselas“ etc. machen den Weg frei. Weg vom berechtigten
Vorurteil hin zum neu erweckten Interesse an der „Vinum“.
Natürlich geht so eine Renaissance, die über Jahre
verschlafen wurde, nicht von heute auf morgen. Ich finde die neuen frischen
Ansätze durchaus ansprechend. Seit Jahren habe ich das erste Mal wieder mehr
als 50% des Hefts durchgelesen. Für einen Weinonliner, wie mich, durchaus
beachtenswert. Motiviert werde ich die weitere Entwicklung gerne verfolgen. Ich
hoffe übrigens sehr auf das Gelingen. Denn selbst als Teil der digitalen
Gesellschaft, liebe ich es ein Buch, eine Zeitung oder ein Heft in Händen zu
halten. Ich wäre erfreut, wenn mich dieser Genuss nicht ob der fehlenden
Inspiration der Macher verlässt. Die „Vinum“
scheint die Kurve zu kriegen, wo jedoch ist meine Lieblingskolumne von Carsten
Henn hingekommen? „Ein Mensch ist immer
das Opfer seiner Wahrheiten.“ Albert Camus
...wie war : " Die Revolution frist ihre Kinder " ! LG CpS :-) !
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