Natural Wine, der Etna und ein Belgier, Consigliere Dröfke Zusammenfassung des Unmöglichen
von Marc Dröfke
Natural Wine. Frei übersetzt heißt das „Natürlicher oder Naturwein“. Was ist aber natürlicher Wein? Was darf rein? Was nicht?
Ein Dilemma. Niemand weiß genau, was unter diesem Begriff gemeint ist, denn er wurde bisher nirgendwo richtig definiert. Jeder Einzelne hat meist eine ganz eigene Auffassung, was sie/er darunter versteht.
In einem Punkt scheinen sich jedoch alle einige zu sein: wer einen Natural Wine, Vin Naturel oder eben Naturwein herstellt, verzichtet möglichst auf allzu große Eingriffe. Nutzung von chemischen Herbiziden im Weinberg ist ebenso tabu, wie die Verwendung von irgendwelchen Schönungsmitteln im Keller.
Spätestens aber wenn es um den Einsatz von Schwefel geht, scheiden sich die Geister.
Vorweg: Es gibt keinen Wein gänzlich ohne Schwefel, denn unter normalen physiologischen Bedingungen bildet sich bei der Gärung immer eine vernachlässigbare Menge davon.
Fakt ist ebenfalls, dass dieses Chalkogen einen Wein stabilisiert und haltbar macht. Gewächse, die nicht geschwefelt werden, haben ab und an das Problem, dass sie sich zu ihrem Nachteil in der Flasche weiterentwickeln. Sie können dann ungenießbar sein, riechen und schmecken mehr nach Jauchegrube als nach Wein.
Nichtsdestotrotz gibt es eine Hand voll Winzer, die dieses Risiko eingehen.
Frank Cornellisen ist einer von ihnen.
Seine Weine hatte ich schon seit einiger Zeit auf dem Schirm. Ich muss aber gestehen, dass mich einige negative Berichte in Kombination mit dem relativ hohen Preis bisher davon abgehalten haben, den Stoff etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Umso erfreuter war ich, als ein Freund eine Flasche des Contadino 8 aus dem Jahrgang 2010 bei unserer letzten Weinrunde auf den Tisch stellte. Es war mit Abstand der am meist diskutierte Wein des Abends. Denn er hatte einerseits einige sehr interessante, fordernde Komponenten, anderseits auch einen Fehler, der sich nicht so einfach wegdiskutieren lässt. Dazu später mehr.
Cornelissen war schon immer ein Grenzgänger. Einer der sich am äußersten Rand der Nische bewegt und bis heute zu polarisieren weiß. Seine Methoden sind ebenso kompromisslos, wie die harte Kritik, die er ab und zu einstecken muss.
Der aus Belgien stammende Cornelissen kommt ursprünglich nicht aus einer Winzerfamilie. Allerdings kam der junge Frank bereits im zarten Alter von 8-10 Jahren in Berührung mit Wein. Sein Vater war ein Sammler alter Gebinde, die er mit seinem Sohn teilte.
Witzigerweise waren dessen ersten Schritte in der Wein-Welt mehr geprägt von den alten Klassikern wie Bordeaux, Burgund und Barolo anstatt von Nischenprodukten, wie er selbst heute eines herstellt.
Zunächst wollte er sein Leben nicht komplett dem Wein verschreiben, aber dennoch damit zu tun haben. Sein Job als Berater in der Branche war da genau das Richtige. Hierbei hatte er nebenbei die Möglichkeit, sich einen großen Erfahrungsschatz „antrinken“ zu können.
Nach und nach reifte in ihm allerdings der Wunsch, es auf der produktiven Seite zu versuchen.
Seine endgültige Entscheidung einen eigenen Wein zu machen, beschreibt Cornelissen als eine Kombination aus der Liebe zur Natur, seinem gastronomischen Background und seiner Liebe zum Wein.
Nur wo war die Frage.
Nach einiger Nachforschungsarbeit, welches Territorium am besten zu seiner Vorstellung von Wein passt, landete er schlussendlich in Sizilien, genauer an der nördlichen Seite des Ätnas. Angefangen hat er im Jahre 2001 mit lediglich einem halben Hektar, mittlerweile sind es ca. 18 an Weingärten.
Sein Ziel, das ihm vor Augen schwebte: Einen ultimativen Terroir-Wein nur aus den Trauben seiner Weinberge zu erzeugen und dabei nichts hinzuzufügen. Weine ohne „Korrekturen“ sind seiner Meinung nach ehrlicher und können den Weinberg sowie den Jahrgang besser wiedergeben.
Cornelissen sagt selbst über seine Weine, dass sie eine gewisse Evolution durchgemacht haben. Die ersten Jahre wäre er ein sehr provokatives Programm gefahren, bei dem er eher darauf geachtete habe, was er nicht in seinen Gewächsen haben wollte anstatt was er eigentlich mochte. Die Weine waren deshalb sehr oxidativ, kaum mit Frucht versehen und entsprechend nicht besonders zugänglich bzw. genussvoll für den Konsumenten.
Jedoch wären sie in einer gewissen Weise nötig gewesen um den Weg zu seinen heutig produzierten Weine zu finden. Diese seien präziser, klarer im Ausdruck und würden mehr Trinkfreude bereiten.
Ob diese These richtig ist, hinterfragt regelmäßig ein nicht gerade kleiner Teil der Weintrinker, die sich den Gebinden widmen. Bei keinem Stoff über den ich bisher recherchiert habe, gingen die Meinungen so weit auseinander. „Schrecklich, anstrengend, eher für den Ausguss als für den Gaumen“ sind nur ein paar der negativen Aussagen, die ich gelesen habe.
Allerdings gibt es auch positive Äußerungen, die von Weinen sprechen, die sehr genau ihre Herkunft widerspiegeln und mehr durch Finesse bestechen. Sie mögen zwar diskutierbar sein, aber am Ende besitzen sie durchaus ihre Berechtigung.
Was ich persönlich für problematisch halte, sind die auftretenden Veränderungen bei falscher Lagerhaltung. Laut Etikett sollte man den Wein nicht über 16 Grad lagern, denn er kann sich dann zu seinem Nachteil verändern. Nur wer kann eine durchgängige Kühlkette vom Weingut bis zum Konsumenten garantieren?
Den Ärger hat dann der Endverbraucher, wenn er daheim eine Flasche aufzieht und merkt, dass der Wein hinüber ist. Und wir sprechen hier von Weinen in einer Preiskategorie von 17 Euro für den Einstiegswein bis zu satten 110 Euro für den Top-Wein Magma.
Cornelissens Erfolg scheint das nicht zu beeinträchtigen. Er ist regelmäßig ausverkauft, seine Gewächse sind sehr nachgefragt in der Pariser sowie New Yorker Weinszene (interessant: Cornelissens größtes Abnehmerland ist Frankreich) und auch in Japan. Ob dies in Verbindung mit seiner japanischen Frau oder seiner Bewirtschaftungsweise nach Fukuoka steht, wird ihm herzlich egal sein.
2010 Frank Cornelissen – Contadino Etna Rosso
Im Glas ein Stoff, der dem Begriff „Naturwein“ alle Ehre macht. Wolkig, undurchsichtiges, helles Rot. Ändert mit der Zeit seine Farbe und wirkt dunkler.
Verrücktes, unnormales, polarisierendes Nasenbild. Ein Mix aus Erdbeere, sauren Drops, kalter Rauch, Essig, brauner Bananenschale, Minze, Espresso und einer etwas erdigen, pilzigen Komponente. Erst im Hintergrund, dann aber immer stärker werdend: Eine Note nach Nagellackentferner (Aceton).
Meine bisherige Erfahrung war, dass sich diese Note in Verbindung mit Luft relativ schnell verflüchtigt. In diesem Fall wurde sie leider immer penetranter. Eindeutig ein Fehler. Selbst nach zwei Stunden in der Karaffe keine Besserung in Sicht. Schade.
Am Gaumen wirkt der Wein sehr leicht, Tannine sind aber spürbar. Wieder Erdbeere, Balsamico und etwas Kaffee. Die Säure befindet sich im oberen Level, trotz dieser Leichtigkeit erstaunliche Länge.
Weine gibt es hier
Der Direttore möchte darauf hinweisen, dass wir für Verlinkungen, Verkostungen, etc., keinerlei Geld erhalten.
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