Consigliere Dröfke und sein flüssiges JURA Studium mit den Weinen von Jean-Francois Ganevat, eine Kollektionsprüfung!


von Marc Kevin Dröfke
„Es ist völlig in den Hintergrund geraten, Weine für das zu bewerten was sie sind - vielmehr kommt es darauf an, was sie sein könnten.“

Letzte Woche schrieb mir diesen Satz mein Freund Tom per E-Mail. Ich hab etwas länger darüber nachgedacht und dieser Satz ist seitdem immer wieder vor meinem inneren Auge aufgetaucht, wenn ich Meinungen über bestimmte Weine gelesen habe. Paradebeispiel: Deutscher Spätburgunder wird stets mit dem Pendant aus Burgund verglichen. Wieso? In Deutschland werden wir keine genaue Kopie des französischen Kultweines hinbekommen, schon allein deshalb, weil unsere Spätburgunder Rebstöcke geografisch anderswo angesiedelt sind. Die Bodenbeschaffenheit ist eine andere, ebenso wie die klimatischen Bedingungen.

Statt ständig zu vergleichen, sollten die Beteiligten ihre Energie lieber dazu einsetzen, das Profil des deutschen Spätburgunders zu stärken und zu schärfen. Hier hat sich in den letzten Jahren schon extrem viel getan. Und nachdem ich zum Teil grandiose Weine von solch talentierten, jungen Winzern wie den Gebrüdern Rings, Stefan Steinmetz oder Moritz Haidle probiert habe (um nur drei zu nennen), bin ich mir ziemlich sicher, dass diese positive Entwicklung, noch lange anhalten kann, respektive wird.

Jeder Winzer sollte einen eigenen Stil verkörpern und repräsentieren, welcher bestenfalls seine individuelle und wiedererkennbare Interpretation des Stückchen Weinbergs ist, das er sein eigenen nennt. Hier liegt die Verantwortung ebenfalls bei den Journalisten sowie den Bloggern, diese Interpretationen eigenständig zu beschreiben und nicht ständig den Vergleich zu suchen.

Deshalb möchte ich die Weine von Jean-Francois Ganevat heute ganz so beschreiben wie sie sind. Weine aus einer Region, die sich speziell in den letzten Jahren im Zuge des „Natural-Wine-Movements“, einen Namen gemacht hat. Die Rede ist vom Jura. Der Trend geht dort in Richtung oxidativ ausgebauter Weine, die sehr stark polarisieren können und von Liebhabern traditioneller Gewächse oft als unbrauchbar abgestempelt werden. Stoff für Freaks sozusagen.

Ganevat geht allerdings einen anderen Weg. Er setzt zwar, wie eine Vielzahl von anderen Winzern aus dem Jura, auf lange Standzeiten auf der Feinhefe, biodynamische Arbeit im Weinberg und möglichst kein Schwefeleinsatz. Aber statt seinen Weinen eine oxidative Note zu geben, baut er sie reduktiv aus. Bewirtschaftet werden mittlerweile insgesamt ca. 8,5 Hektar Fläche, auf der Ganevat 17 verschiedene Rebsorten anbaut. Aus ihnen kreiert er jahrgangsabhängig bis zu 40 verschiedene Weine. Eine schier unfassbar große Diversität im Verhältnis zur relativ kleinen Anbaufläche. Natürlich kommen nicht alle dieser Weine in den Verkauf und einige der Weine sind mehr als Versuch gemeint. Nichtsdestotrotz ist diese Zahl imposant.


In einer Probe, die ich kurz vor Weihnachten besucht habe, haben wir uns auf 8 Weine aus dem Sortiment beschränkt. Wobei trotzdem ein guter Überblick gewonnen werden konnte, in welche Richtung die Reise denn hier gehen soll. Jean-Francois kommt aus einer Familie, die sich bereits seit ca. 1650 mit Wein beschäftigt. Bis 1976 wurde zusätzlich noch Käse erzeugt, um sich über Wasser halten zu können. Ab diesem Zeitpunkt allerdings konzentrierte sich der Vater von Jean-Francois ganz auf den Weinbau. 

Der Sohn half dem Vater in den Jahren 1982-1989 und ging dann nach Beaune um die Schulbank zu drücken, hatte er bis dato nicht sonderlich viel qualitatives Wissen in Bezug auf Wein. Nach seinem Abschluss zog es ihn ins Burgund, wo er bei der Domaine Jean-Marc Morey, die in Chassagne-Montrachet ansässig ist, anheuerte. Er stieg dort relativ zügig zum Betriebsleiter auf, ein Traumjob für einen so jungen Weinmacher wie ihn, konnte er doch sein frisch angeeignetes Wissen direkt und ohne viele Kompromisse umsetzen.

Er blieb neun Jahre lang dort, kehrte dann aber auf das elterliche Weingut im Jura zurück. Seine Erfahrung, die er sich in diesen neun Jahren speziell im Bezug auf die Chardonnay-Traube aneignen konnte, merkt man seinen Weinen deutlich an. Die von uns verkosteten Weine „Cuvee Florine“ sowie „Les Grand Teppes Vieilles Vignes“ aus dem Jahrgang 2011 zeigen eindrucksvoll was mit dieser Rebsorte im Jura möglich ist. 

Dabei ist der „Florine“ mit seinen etwas reiferen Aromen wie Bratapfel, frischer Zitronentarte, gerösteten Nüssen und etwas Vanille das offenere Exemplar. Am Gaumen fällt die sehr hohe Säure sofort auf. Allerdings steht ihr genügend Extrakt gegenüber, um sie abzupuffern.

Im direkten Vergleich wirkt der „Les Grand Teppes“ dagegen deutlich kühler. In der Nase zunächst etwas Zitronenabrieb, Räucherspeck und ein nasses Flussbett. Die Frucht ist sehr im Hintergrund und kommt erst mit etwas Zeit und Luft im Glas dezent zum Vorschein. Der Wein wirkt deutlich straffer, mit mehr Zug und Spannung am Mittelgaumen als sein Nebenspieler aus gleichem Hause. Wieder fällt die relativ hohe Säure auf, die den Stoff zusätzlich noch unheimlich lebendig und trinkfreudig macht. Am besten legt man sich zwei oder drei Flaschen für fünf Jahre in den Keller. Ich denke, das kann sich durchaus lohnen. Der beste Wein der gesamten Verkostung in meinen Augen. 

Als dritten Wein gab es mit dem „Chalasses Marnes Bleues“ 2011 ein Gewächs, das zu 100% aus der autochthonen Rebsorte Savagnin gekeltert wird. Hier tritt diese, für das Jura typische, Aromatik nach Apfelschale, Quitte und Apfelkompott hervor. Im Mund hinkt er seinen beiden Vorgängern in Punkto Komplexität und Druck jedoch hinterher. Die Säure liegt ebenfalls deutlich niedriger als bei den Chardonnays. Was jedoch gut gefällt, ist das lange Finale hinten raus.

Daraufhin ging es mit den Rotweinen weiter. Alle Weine stammten aus dem Jahrgang 2012. Den Anfang machte hier der Poulsard „L’Enfant Terrible“. Ein Wein, auf den ich ganz besonders gespannt war, hatte ich doch bisher noch nie einen Wein aus diesem Rebenmaterial im Glas. Leider beging der Gastgeber den Fehler, den Wein zwei Stunden vor der Probe zu dekantieren. Man muss wissen, dass Poulsard eine Rebsorte ist, die sehr feinfühlige, ja nahezu leicht zerbrechliche Weine hervorbringt. Die gehören meines Erachtens erst kurz vor dem Genuss geöffnet, und wenn überhaupt nur kurz karaffiert Entsprechend war das Erlebnis sehr enttäuschend. In der Nase kaum etwas zu finden außer einer Note von zu lange gelagertem Apfelsaft und feuchter Erde. Am Gaumen wirkte der Wein super leicht, es fehlte allerdings total an Substanz, Konzentration und Länge. Wirklich schade. 

Mit der Rebsorte Trousseau konnte ich bis dato ebenfalls eher wenig anfangen. Glücklicherweise zeigte sich Ganevats „Plein Sud“ als ein sehr schönes Exemplar. Rotfruchtig mit Himbeere und wilden Walderdbeeren, dahinter nebst Zimt und weiteren weihnachtlichen Gewürzen eine leicht animalische Note und etwas weißer Pfeffer. Die lebendige Säure im Antrunk weiß ebenso zu gefallen wie die Leichtigkeit mit der dieser Wein auftritt. Die Tannine sind spürbar, jedoch nicht störend. Das Finale besitzt durchaus eine gewisse Länge, hier zeigt sich auch eine karge Note, die mich erstaunlicherweise etwas an einen Chablis erinnert. 

Über den darauffolgenden Wein möchte ich nicht viele Worte verlieren, der Kollege Nico Medenbach hat darüber bereits ausführlich geschrieben. Ich denke, sein Bericht passt zum „J´en Veux“ wie der sprichwörtliche Arsch auf Eimer. Ein wilder, polarisierender Naturbursche außerhalb jedes Trinkfensters von Normalos. Das muss man mögen. Mir gefällt sowas. sehr sogar. Zwei meiner Mitstreiter an diesem Abend fanden allerdings, dass man so einen Wein nicht unbedingt braucht. 

Der ungewöhnlichste Wein in Ganevats Sortiment ist eine Provokation. Als letzter Rotwein des Abends floss ein Pinot in unsere Gläser. Mit dem „Julien en Billat“ präsentiert der Winzer seine ganz eigene Interpretation dieser Rebsorte. Der dunkelfruchtigste Rotwein aus diesem Quartett. Schwarze Johannisbeere, Schwarzkirsche und wilde Waldhimbeeren gemixt mit viel feuchter Erde, Kräutern und dem Essigwasser von eingelegten Gewürzgurken bestimmen das Nasenbild. Am Gaumen wirkt der Wein sehr kühl, karg, ohne viel Frucht und stützt sich eher auf seinen mineralischen Kern. Er hat durchaus eine gewisse Komplexität, die man ihm nicht absprechen kann. Wie bei nahezu allen seine Kollegen, bleibt durch eine gut austarierte Säure die Trinkfreude erhalten. 

Eine Spezialität des Jura ist der Vin Jaune. französisch für „gelber“ Wein. Er wird ausschließlich aus der Sorte Savagnin gewonnen und muss nach der Vergärung mindestens 6 Jahre und 3 Monate im Fass lagern , bevor er als Vin Jaune bezeichnet werden darf. In dieser Zeit verdunstet bis zu 40% der Weines im Fass. Zurück bleibt eine Flüssigkeit, die im Falle des 2005 „Vin Jaune“ von Ganevat, nach Walnuss, Safran, Meersalz und etwas nach Torf riecht und mich an einen Sherry erinnert. Im Mund fällt einem sofort die sehr hohe Säure auf. Der Wein besitzt einen mittleren Körper, wirkt sehr frisch und jugendlich und hat eine unheimliche salzige Note im Abgang. Ich fand ihn interessant, muss aber ehrlich gestehen, dass mir bei diesem Thema auch etwas die Vergleichsmöglichkeiten fehlen, um eine Einordnung vornehmen zu können. Nichtsdestotrotz ein gelungener, runder Abschluss dieser Probe. 

Jean-Francois Ganevat nimmt mit seiner Kollektion eine Art Sonderstellung innerhalb des Jura ein. Seine Weine sprechen den offenen Konsumenten an, der keine Berührungsängste hat, einmal vom konventionellen Weg abzuweichen, sich aber nicht mit den oxidativ ausgebauten „Freakweinen“ anfreunden mag bzw. kann. Dabei bietet er vom relativ „normalen“ Chardonnay (der allerdings absolut die Typizität dieser Rebsorte in diesem Gebiet abbildet) bis zum sehr individualistisch geprägten „J`en Veux“ eine ganze Bandbreite an Auswahlmöglichkeiten an, unter der sich sicherlich für den ein oder anderen eine interessante Flasche finden lässt.

Die aktuellen Jahrgänge von Jean-Francois Ganevat gibt es hier zu beziehen.
Der Direttore möchte darauf hinweisen, dass wir für Verlinkungen, Verkostungen, etc., keinerlei Geld erhalten.


Kommentare