Zwischen Saumagen und Heiterkeit - Consigliere Dröfke und das Koehler-Ruprecht Experiment

von Marc Dröfke
Es gibt Weingüter mit deren Namen man sofort eine spezielle Lage in Verbindung bringt. Meist stammt entweder ein großer Teil der jeweiligen Produktion aus diesem Stückchen Erde oder, und diese beiden Umstände schließen sich meist nicht aus, die besten Gewächse werden aus ihm gewonnen. Als ein sehr gutes Beispiel lässt sich dabei Deutschlands vielleicht bekanntester Winzer nennen: Egon Müller. Müller keltert den Bärenanteil seiner Flaschen aus dem Scharzhofberg. Vom „einfachen“ Kabinett über die Spätlese, Auslese bis hin zu seinen weltbekannten Weinlegenden wie dem Eiswein oder gar der Trockenbeerenauslese, die zum Teil für mehrere tausend Euro die Flasche über den Ladentisch wandert.

Ganz so hoch werden die Weine von Koehler-Ruprecht zwar nicht gehandelt, aber auch hier kann das gleiche beobachtet werden. Wie Müller mit dem Scharzhofberg, assoziiert man den Betrieb aus Kallstadt sofort mit dem Saumagen. Die Lage liegt nur einen Steinwurf vom Weingut aus entfernt. Hier bewirtschaftet das Team u.a. 3,8 Hektar Riesling, aus dem die bekannten Weine gekeltert werden. Dabei bildet der nach Süden ausgerichtete Teil das „Filetstück“. Früher war dieses Gebiet als Kallstadter Horn und Kirchenstück bekannt. Der Ertrag aus dem Saumagen variiert von Jahr zu Jahr zwischen 40hl/ha und 75hl/ha. Ich hatte kurz vor dem letzten Monatswechsel das große Glück zusammen mit anderen Journalisten und Bloggern im Weingut  an einer Verkostung teilzunehmen, die sich ganz dem Thema Riesling aus dem Saumagen widmete. 

Das Weingut Koehler-Ruprecht besteht ca. seit 1700 und wurde, wie der Name teilweise verrät, von der Familie Ruprecht gegründet. Dieser fiel, wie auch später der Name Koehler, einer weiblichen Erbfolge zum Opfer. 1969 kam dann der Name Philippi das erste Mal ins Spiel. Zu diesem Zeitpunkt übernahm Otto Philippi den Pfälzer Betrieb, den er 1986 an seinen Sohn Bernd weiterreichte. Er war kein „Unbefleckter“. Ein Weinwirtschaft-Studium in Geisenheim und einige Jahre Erfahrung als Weinmacher rund um den Globus konnte er bereits auf der Haben-Seite verbuchen. Doch irgendwann zog es ihn in die Heimat zurück.

Bernd Philippi schuf dort einen Typ Wein, der bis heute nahezu der einzige seiner Machart geblieben ist. Trockene Prädikatsweine, spontanvergoren, nicht entsäuert, ausgebaut in zum Teil über 100 Jahre alten Holzfässern, die sehr lange reifen können und erst nach einigen Jahren im Keller ihre ganze Pracht entfalten. Die Qualität wurden von Jahr zu Jahr besser und das Weingut heimste einen Erfolg nach dem anderen ein.

Doch irgendwann ging auch dieses Märchen, zumindest teilweise, zu Ende. Philippi verkaufte das Weingut im Juli 2009 nach nahezu zwei Jahren Verhandlungen an die amerikanische Familie Sauvage, die dankenswerter Weise an dem Grundkonzept wenig geändert und dies laut Marquis Sauvage zukünftig auch nicht vor hat (Quelle:Minute 37:45 aus diesem Video).

Philippi selbst scheinen es die Rebanlagen im portugiesischen Douro Tal angetan zu haben. Zusammen mit Werner Näkel betreibt er dort die Quinta da Carvalhosa . Er ist aber weiterhin in einigen anderen Weingütern beratend tätig.

Der jetzige Geschäftsführer von Koehler-Ruprecht, Dominik Sona, kam mit dem Weingut das erste Mal 2008 in Berührung. Er war beim Verschnitt des Jahrgangs dabei und stieg kurz nach der Ernte 2009, eingesetzt durch die amerikanischen Investoren, dann voll in das Tagesgeschäft des Betriebes ein.  Bevor ihn der Ruf von Koehler-Ruprecht erreichte, studierte auch Sona in Geisenheim und machte danach u.a. Station in Neuseeland bei Rimu Grove, Van Volxem an der Saar, Flowers und Littorai in Kalifornien und zu guter Letzt beim Weingut J.L. Wolf in Wachenheim.

Soviel zur Gesichtsstunde, zurück zu den Weinen. Wir probierten uns durch die Jahrgänge 2008 bis 2013 und zwar vom Kabinett über die Spätlese bis zur Auslese. Grundsätzlich gilt es zu erwähnen, dass der Kabinett immer der leichteste, trinkfreudigste Wein sein soll. Die Spätlese hingegen kommt mehr über die Eleganz und übertrumpft die Auslese in dieser Hinsicht ab und an, wobei die Auslese laut Sona immer den komplexesten Wein darstellt. Die Weine wurden alle am Tag der Verkostung um ca. 10:30 Uhr geöffnet, so dass für alle Weine die gleichen Bedingungen herrschten.

Es war sehr interessant, die verschiedenen Jahrgangs-Typizitäten im direkten Vergleich zu sehen, wobei meines Erachtens nach der Kabinett zum Teil gravierende Unterschiede zur Spätlese und diese wiederum zur Auslese im selben Jahrgang hatte. Hier hätte ich die Weine zum Teil nicht klar nebeneinander einordnen können.

Als ein gutes Beispiel lässt sich der Jahrgang 2008 anführen. Der Wein im Kabinett-Bereich war für mich der schwächste im Feld. Ihm fehlte irgendwie die nötige Substanz und die Säure war nicht perfekt eingebunden. Die Spätlese und vor allem Auslese hingegen präsentierten sich deutlich frischer und bildeten für mich mit die Spitze in der jeweiligen Prädikatsstufe
.
Daneben gefiel mir der 2012 Jahrgang durch die Bank sehr gut. Die Weine hatten das bisschen mehr an Säure sowie Zug am Gaumen, das mir bei dem ein oder anderen Wein aus den vorherigen Jahrgängen etwas fehlte.

2011 wirkte durchweg schon deutlich reifer und auch breitschultriger wie die Kollegen, hatte aber einen sehr schönen Trinkfluss und ließ sich so schön wegsüffeln. Es fehlte mir persönlich aber die oben erwähnte Säure ein wenig.

Aus dem "Arschjahr" 2010 fiel mir der Kabinett positiv auf. Er war mehr von einer Mineralität und kräutriger Tee-Note geprägt als von der Frucht. Die Spät- und Auslese fanden sich in meinem Ranking im Mittelfeld wieder.

Ein Jahrgang, den ich selbst eher weniger auf dem Radar hatte wenn es sich um Riesling dreht, ist 2009. Die Spätlese, die Sona und sein Team in diesem Jahr auf die Flasche gezogen haben belehrten mich eines besseren. Ein Bomben-Wein, der mich ganz besonders durch seine Klarheit und unfassbar gute Struktur fesselte. Für mich die beste Spätlese an diesem Abend. Der Kabinett hingegen fiel ungewöhnlich reif und offen aus. Im Abgang fehlte mir hier die letzte Konsequenz.

Danach ging es in die „Bonus-Runde“ und das bedeutet an diesem Abend: Spätlese „R“, Auslese „R“ und Auslese „RR“. Die unheimlich raren Weine bilden die Speerspitze des Sortiments von Koehler-Ruprecht und kommen erst 4 (Spätlese) bzw. 6 Jahre (Auslese) nach der Ernte auf den Markt. Die Auslese „RR“ lagert gar 7 Jahre auf dem Weingut, bis sie in den Verkauf kommt.    

Für mich war hier nochmals sehr deutlich die Trennung von Spätlese (schlanker, eleganter, fast tänzelnd) und Auslese (dunkler, tiefer, komplexer) zu erkennen.
Die jüngsten Weine der Probe aus dieser Kategorie stammten aus dem Jahr 2012. 2013 wurden - wie 2010 - keine „R“ erzeugt. Sie werden 2016 bzw. 2018 in den Verkauf kommen und jeder Fan kann sich auf zwei ganz, ganz große Rieslinge freuen. Die Spätlese „R“ zeigte sich zwar noch sehr primärfruchtig, aber gleichzeitig unheimlich filigran und elegant. Am Gaumen sehr schlank und fast tänzelnd ohne den nötigen Druck vermissen zu lassen.

Die Auslese „R“ war für mich eigentlich der Wein des Abends. Unfassbar tief, dunkel, zurückgezogen, kräutrig, rauchig mit einer Power und Zug am Gaumen, die ihresgleichen suchen. Eine fast schon beißende Säure geht über in einen unfassbar langen Nachhall. Was für ein Wein. Das geht nicht besser, nur anders.

Die 2011er konnten da nicht ganz mithalten. Die Auslese präsentierte sich ausladender als sein Vorgänger, wirkte am Gaumen fast schon ein wenig rustikal. Was aber keinesfalls negativ gemeint ist. In der Nase Birne, Apfelsaft, etwas Lauch und eine ganz feine oxidative Note. Ein Wein, der mir ebenfalls gut gefiel, allerdings auf eine ganz andere Weise wie die 2012er.

Dann wurden die 2009er eingeschenkt, inklusive der 2009 Auslese „RR“. Andere Mitverkoster am Tisch waren Feuer und Flamme für die Weine. Für mich persönlich allerdings waren sie in einer eher verschlossenen Phase und ich konnte die wahre Größe nicht richtig greifen. Dass ein unheimliches Potential hinter diesen Gewächsen steckt, ist ohne Frage zu bejahen. Total weggeblasen haben sie mich allerdings nicht. Das will ich hier in aller Deutlichkeit auch sagen.

2008 war wieder offener mit sehr viel Substanz und Frische versehen. Ich konnte glücklicherweise noch eine Flasche der Auslese „R“ ergattern und bin gespannt, wohin der Weg des Weines noch führen wird.

Zum Abschluss gab es noch die zurecht als legendär bezeichnete Auslese „R“ aus dem Jahrgang 2004. Ich habe mir zu diesem Wein keine Notizen mehr gemacht, aber er war die nahezu perfekte Kombination aus Komplexität und Finesse. Ein Leuchtturm in Sachen trockener Riesling und so nicht replizierbar.

Ein großer Dank gilt den Medienagenten um Felix Eschenauer, die mich zu dieser großartigen Probe eingeladen haben sowie an Dominik Sona und seine Assistentin Franziska Schmitt für die Organisation der Probe und die Eröffnung der Möglichkeit, diese großartigen Weine alle verkosten zu können.  

Danke an Ralf Kaiser für die Bereitstellung der Fotos 


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