Chianti - Wo der Staub der Eltern noch am Glase klebt, zwei Empfehlungen!
von Philipp Erik Breitenfeld
"In der Ehe muss man einen unaufhörlichen Kampf gegen ein Ungeheuer führen, das alles verschlingt: die Gewohnheit.“, sagte einst Honore de Balzac. Meine Ehe zum Wein definiert sich tagtäglich durch Tatendrang und Entdeckergeist. Aber wie schön es doch ab und zu sein kann, sich vermeintlich anachronistischen Weinregionen hinzugeben. Wo der Staub der Eltern noch am Glase klebt und kein Wein-Hipster seine Hornbrille über die Qualität bricht!
"In der Ehe muss man einen unaufhörlichen Kampf gegen ein Ungeheuer führen, das alles verschlingt: die Gewohnheit.“, sagte einst Honore de Balzac. Meine Ehe zum Wein definiert sich tagtäglich durch Tatendrang und Entdeckergeist. Aber wie schön es doch ab und zu sein kann, sich vermeintlich anachronistischen Weinregionen hinzugeben. Wo der Staub der Eltern noch am Glase klebt und kein Wein-Hipster seine Hornbrille über die Qualität bricht!
Die Toskana. Rächer der Generation Gerhard Schröder. Ich liebe sie, auch wenn diese im öffentlichen Interesse mittlerweile nicht mehr dem kontemporären Fass der Zeit entspricht. Und um die Toskana einmal mehr in das vinophile gegenwärtliche Interesse zu rufen, empfehle ich Ihnen, geneigte Leser, heute zwei Chianti Classico aus dem fabelhaften Jahrgang 2010. Die Rebsorte Sangiovese in ihrer schönsten Form.
Wichtig bei der Auswahl war mir, dass man diese Weine auch relativ einfach beziehen kann. Es bereitet durchaus Vergnügen von besonderen Weinen zu lesen, die vor Ort verkostet wurden. Ohne machbare Bezugsquelle, bleiben sie aber leider eine lyrische Fantasie.
Fangen wir an mit einem „Gran Selezione“. Die neu geschaffene höchste Qualitätskategorie des Chianti Classico. Die Agricola San Felice liegt im Herzen des Chianti Classico Gebiets in Castelnuovo Berardenga. Seit 1984 gehört auch das Weingut Campogiovanni in Montalcino zum Besitz Das Weingut verfügt über rund 180 Hektar Weinberge in besten Lagen.
Im funkelnden satten Rot dreht dieser Klassiker seine Runden im Glas. Äußerst komplexes und verflochtenes Bukett nach Sauerkirsche, ein wenig Cassislikör, Orange und florale Noten nach Veilchen. Kräftiger würziger Einschlag nach Salbei und schwarzen Pfeffer. Frisch gespantes Eichenholz, erdige Nuancen und neues Leder. Ziemlich viel los in der Nase. Bei allem Tumult verliert dieser Gran Selezione jedoch nicht seine auffallend elegante Note.
Am Gaumen primär samtig weiche Tannine, einnehmend noble Frucht, saftig und stoffig, ob seiner Jugend noch spürbarer Holzeinschlag, der Alkoholgehalt völlig moderat integriert, überraschend tief.
Vielleicht sind es die 20% autochthonen Rebsorten (Abrusco, Pugnitello, Malvasia Nera, Ciliegiolo, Mazzese), die dem Wein eine herbe erdige und unterhaltend packende Note geben. Auch hier behält er wieder seine Grandezza! Im Finish trocken, rustikal und herzerwärmend lang.
Wie ein Rugby Spiel unter Ehrenmännern!
Dieser Chianti Classico lässt meinen Glauben an die Individualität auch innerhalb der großen Namen wieder aufflammen. Ein fast perfektes Exemplar seiner etruskischen Zunft! Dabei in Sachen Preis-Leistung ein Angriff auf jede Markenblase. Für knapp über 20€ ist man dabei. Es lohnt sich.
Hier für 21,50€ zu beziehen.
Der „Gambero Rosso“ über den Erzeuger der zweiten Chianti Empfehlung: „Akribische Sorgfalt im Weinberg nach Bordeaux-Vorbild, im Keller wenig unnützer Zwang und Zusammenarbeit auch mit internationalen Beratern, machen die noch eher junge Kellerei von Pier Luigi Tolaini zu einem maßgeblichen Betrieb im Chianti Classico.“
Im feudalen Rubinrot dreht dieser Chianti Classico Riserva seine Runden im Glas. Kontradiktorische Nase nach opulenten Blaubeeren, Sauerkirsche, reifen Orangen, ein Hauch Dörrpflaume, auf der anderen Seite würzige Töne nach Kerbel, ein wenig Basilikum und Gewürznelken.
Das Ganze wirkt aber nicht zu weitschweifig, sondern eher kühl und harmonisch.
Sehr überraschend, denn dieser Eindruck bestätigt sich am Gaumen. Stoffig, straffe Tannine, straff, dennoch volle Frucht. Der Alkoholgehalt mit 13,5% sensationell stimmig integriert. Fordernd würzig und saftig, aber dabei erneut kühl und unheimlich elegant.
Das Finish staubtrocken und in diesem jungen Stadium noch etwas vom Holz geprägt. Macht aber nichts.
Ein fabelhafter Chianti! So etwas stimmiges, dennoch forderndes, kühles und komplexes, habe ich in in dieser Preiskategorie selten getrunken. Für ca. 24€ hier zu beziehen.
Beide Weine sind derzeit meine Favoriten aus dem Chianti. Sie vereinen Moderne, Individualität ohne ihre Herkunft und Tradition zu verleugnen. Am wichtigsten aber, sie machen verdammt viel Spaß! Gerade jetzt im Winter. Ein einfaches Lamm mit Bärlauchrisotto dazu und die Welt macht eine Pause. Hier das Rezept.
Ihnen allen noch ein gutes, neues Jahr! Viel Glück, Gesundheit und vor allem zuviel des Guten!
Der Direttore möchte darauf hinweisen, dass wir für Verlinkungen, Verkostungen, etc., keinerlei Geld erhalten.
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