Consigliere Dröfke über Verkostungslyrik oder Domaine Bartheau – 2002 Chambolle-Musigny 1er Cru „Les Amoureuses“

von Marc Dröfke
Bei Weinbeschreibungen ist es immer so eine Sache, den richtigen Ton zu treffen. Wie man es übertreiben kann, habe ich vor kurzem eindrucksvoll an einem Beispiel gesehen, das der von mir geschätzte Marcus Hofschuster, Verantwortlicher für die Verkostungen bei Wein-Plus, auf seiner privaten Facebook-Page veröffentlichte. 

Darin hieß es wie folgt: 
"In kolossale Schwärze gehüllt, entfaltet der dominant dunkelbeerige, überragend floralaromatische Pauillac ein Bouquet von atemberaubender sensorischer Schönheit, in dem die reichhaltigen Fruchtnuancen perfekt eingebunden sind in einem Ensemble aus mineralischem Grundton, feiner Kräuterwürze und verblüffender Erdigkeit. Mit erhabenem Druck, im Stil aristokratischer Beiläufigkeit, mit dem Wissen um das richtige Maß, gleitet der imposant konzentrierte, dabei aber ästhetisch äußerst wohlproportionierte, in ein Tanningewand von erhabenster Finesse, quasi von der ersten Adresse der Gerbstoff-Haute-Couture, gefaßte Rebensaft den Gaumen aus und gewinnt alle Aufmerksamkeit fast beiläufig im Sinne magnetischer Magie. 

Mit der Reinheit eines Gebirgsbachs setzt die tief gegründete Cabernet-Frucht Médoc-Maßstäbe, der Gaumenauftritt erinnert in seiner Stilsicherheit an die ikonenhafte Grace Kelly, in einem großen Spannungsbogen von hoher innerer Vibranz, der seine Grundschwingung aus der schier unglaublichen Komplexität des in Süße kulminierenden Extrakts erfährt und der seinen Rhythmus aus der Euphonie der Taktgeber zieht, gleitet dieser vor Frische strotzende, eminent elegante und Geduld fordernde Schwergewichtler in ein Finale von epischer Länge, von dem der Verkoster noch immer schwärmt.

Hofschuster merkte absolut richtig an, dass so eine derart ins lyrische abdriftende Beschreibung im Endeffekt wohl eher abschreckt als dass sie einlädt. Das kann man ohne Umschweife so unterschreiben, sind solche Floskeln doch sehr hochgestochen, schwulstig formuliert und suggerieren dem Weinlaien, dass er ohnehin nichts von der Materie versteht. Von Verfassers solcher Beschreibungen wie der obigen kann man sich nur einen Schritt zu mehr Einfachheit und weniger Lyrik wünschen. Weinbeschreibungen sind etwas sehr subjektives, nimmt jeder Mensch einen Wein doch anders war. 

Deshalb gibt es für mich auch nicht die eine richtige Weinbeschreibung, denn was der eine Trunkenbold riecht muss der nächste nicht zwangsläufig ebenso wahrnehmen. Jeder Verkoster/Kritiker/Blogger/Weinfreak hat eine ganz eigene Aromapalette zur Verfügung, die er im Laufe seines Trinker,- und auch Esserlebens entsprechend entwickelt, bestenfalls immer wieder geschult hat und derer er sich dann entsprechend bedienen kann. Dabei springen gewisse Aromen den einen nur so an, bleiben beim nächsten aber nur im Hintergrund. 

Bei sagen wir einmal „einfachen“ Weinen sind gewisse Noten oft vordergründig, so dass man sich meist recht schnell einen Überblick verschaffen kann. Wird der Wein aber komplexer, und die besten Exemplare haben das meist und Gott sei Dank so an sich, umso schwieriger wird es ihn in seine Einzelteile zu zerlegen, zu verstehen und dann auch noch ansprechend zu beschreiben. 

Jeder löst das auf eine andere Art und Weise. Natürlich ist es absolut legitim, mal abzuschweifen und etwas ausufernder zu werden. Auch mir passiert das, vor allem wenn der Wein einen wirklich greift und überzeugt. Dennoch muss man immer auch auf dem Boden der Tatsachen bleiben und dies ist im obigen Beispiel kräftig misslungen. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob ein einfaches „lecker“ bzw. „schmeckt mir“ die Quintessenz der Weinbeschreibung sein darf. 

Jetzt aber genug geschwafelt! Den heutigen Wein könnte ich mit einem einzigen Wort recht gut beschreiben: Sexappeal. Noch nie hatte ich einen ähnlich betörenden Wein im Glas, der mir dermaßen den Kopf verdreht hat. Und welche Region in Frankreich steht für solch elegante, sexy Weine? Natürlich, das Burgund. 

Allerdings gibt es auch im Burgund bestimmte Lagen, die zu einer feminineren, weicheren Ausprägung tendieren als andere. Dazu gehören mit Sicherheit die Weine aus Chambolle. Die Gewächse sind feiner und leichter als ihre Pendants aus beispielsweise Nuits Saint Georges.

In Chambolle, und ausschließlich dort, besitzt Francois Bertheau einige Parzellen mit bestem Rebenmaterial. Neben der sehr bekannten Lage „Les Charmes“ bewirtschaftet er u.a. auch noch eine relative kleine Parzelle in der vielleicht besten Premiere Cru Lage in Chambolle, die sich „Amoureuses“ nennt. Im Zuge einer Best Bottle Probe hatte ich kürzlich das Glück, diesen Wein probieren zu können. 

Im Glas dreht ein recht heller, erdbeerroter Wein mit wässrigem Rand seine Runden. Die Nase ist unfassbar betörend. Erdbeere, Weichsel, Veilchen gepaart mit einer wunderschönen rauchigen Note von frisch angeräuchertem Fleisch, leicht nasser Waldboden und einem Hauch von Amarena Likör. Alles unterlegt mit einer dezenten, niemals aufdringlichen Süße. Am Gaumen hat der Wein genau das, was für mich einen Stoff mit Größe immer ausmacht: 

Er hat Gewicht ohne schwer zu wirken. Wirkt unglaublich saftig und reichhaltig aber gleichzeitig elegant und tänzelnd. Durch eine fast schon vibrierende, sehr gut eingebundene Säure wirkt der Wein super frisch. 

Das lange Finale rundet das gelungene Bild dieses Weines ab, der für mich definitiv zu den Highlights meines bisherigen Trinkerjahres zählt. Ein Referenzwein in Sachen Sexappeal. Dem ist nichts hinzuzufügen.


Kommentare