Weinkult(o)r – Dr. Loosen – the mighty Professor oder planlos visionär!
von Philipp Erik Breitenfeld
Ich war erneut mit Weinmacher und Wein-Blogger Dirk Würtz
unterwegs, um bezüglich des Weins im Glas ein Gesicht, ein Händedruck, eine Emotion,
ein Stück Erde und vor allem eine subjektive Wahrheit zu finden. Im Rahmen
unserer gemeinsamen „Weinkultu(o)r“, besuchen wir die vermeintlichen Blue Chips
der Weinszene, die großen Namen. Wir wollen hinter die Kulissen der schillernden Image-Broschüren schauen.
So führte uns unsere nächste Etappe an die Mosel. Zu
keinem Geringerem als dem Weingut Dr. Loosen in Bernkastel. Das Weingut
befindet sich im Familienbesitz seit über 200 Jahren. Dem heutigen Inhaber Ernst Loosen, wurde der Betrieb 1988 übergeben.
Zu diesem Zeitpunkt hatte das Gut weder Reputation, noch eine Inhaberfamilie, die davon leben musste.
Demnach wirkte das Ganze irgendwie „uninspiriert“.
Bis der Mann, der römische Archäologie studierte, die
Bühne der Mosel betrat. Ertragsreduzierung, weg mit chemischen Düngemitteln, ausgereiftes Lesegut streng selektiert, ein Minimum an
technischer „Einmischung“. Ernst „Ernie“ Loosen gab dem Weingut eine neue
Richtung. Gegen sämtliche Gegenwehr und Unverständnis der anachronistischen Winzernachbarn und des eigenen Vaters. Die Revolution fraß in diesem Fall ganz bestimmt nicht ihre Kinder.
Wer ist eigentlich dieser Mann, der seit fast 30
Jahren einen Siegeszug durch die Welt mit deutschem Riesling feiert?
Ernie Loosen macht Big
Business auf der ganzen Kugel, Joint Ventures in den USA, in der Pfalz, Projekte in Asien und wahrscheinlich in unendlichen Weiten, die nie zuvor ein Moselwinzer betreten hat. Der Mann
ist 250 Tage im Jahr irgendwo auf dem Globus unterwegs. Rastlos. Er ist der
einzige Deutsche, der den Titel des britischen Weinmagazins Decanter „Man oft
he Year“ gewinnen konnte und auch ansonsten hat er bis heute wahrscheinlich jeden Preis
„abgestaubt“, den die mediale vinophile Welt so ausspuckt. Das global wohl bekannteste Zugpferd der Losen Unternehmung, ist der Riesling "Dr. L". Nicht minder bekannt das Joint Venture in der Pfalz, Villa Wolf, der Eroica Riesling, eine Zusammenarbeit mit Chateau St. Michel aus Washington (USA) und J. Christoper Wines, mit Weinmacher Jay Somers in Oregon State (USA). Ernie Loosen dreht das globalisierte Weinrad wie fast kein anderer.
Ich treffe hier aber nicht auf abgeklärten Kapitalismus. Ganz im Gegenteil. Ich begegne einem Menschen, bei dem man nach so vielen Jahren im
Weingeschäft immer noch das Funkeln in den Augen sieht, wenn er über seine
Weinprojekte und seine Weinexperimente spricht. Als wären es seine Kinder. Der
mit so einer Leidenschaft und Geschwindigkeit erzählt, als gäbe es morgen keine
Reben mehr, mit denen man noch etwas neues ausprobieren könnte. Ernie Loosen ist
Avantgarde. Mal zu laut, zu leise, aber niemals inhaltslos. Gesunder direkter Humor, sympathische
Herrlichkeit. Eine atemlose Naturerscheinung! Dabei warmherzig und empathisch.
Der Welt-Weinmacher zeigt uns an diesem Nachmittag einen
schönen Vergleich seiner Lagen Grossen Gewächse bezüglich der unterschiedlichen Länge der Fasslagerung. 12
Monate versus 24 Monate. Was habe ich mich in den 2011
Ürziger Würzgarten alte Reben GG verliebt!
Diese eindringliche Kräuterwürze, dieses herrlich
angereifte Steinobst. Am Gaumen mit ordentlichem Druck, straff, kraft, herb,
würzig und ewig lang. Der wird die nächsten Jahre noch verdammt viel Spaß
machen! Überraschend derselbe Wein, aber 24 Monate im Fass. Weich, elegant, ein
wenig Williams Christbirne, dennoch zupackend, ordentlich Gripp, komplex und
überraschend trinkfertig. Der 36 Monate im Fass gelegene Ürziger Würzgarten, und
da teile ich Dirk Würtzs Meinung, ist in seiner Exzellenz und Komplexität wohl
tatsächlich der beste trockene Riesling, den ich jemals von der Mosel verkosten
durfte!
Uns so trinken wir uns von einem spannenden Projekt zum
nächsten. Immer unter der Anleitung des mighty Keller Professors Ernie Loosen.
Viele seiner Weine sind nicht im Verkauf, viele seiner Weine sollen auch nicht
in den Verkauf. Der liebevolle Wein-Messi Loosen hat nicht wirklich einen Plan,
was mit den tausenden von Flaschen passieren soll, die da noch in seinem Keller
unter dem Titel Projekt lagern, er hat aber eine Vision von einem großen perfekten Wein. Das macht
das Bild im Endeffekt gehaltvoll und stimmig.
Man kann über die Weine von Ernie Loosen im Prinzip
denken, was man will. Man kann auch durchaus seinen Auftritt als polarisierend
bewerten. Eines kann man aber nicht, seine Verdienste um den deutschen Riesling
in der Welt kleinreden. Durch seine rastlosen Reisen durch die USA, Asien,
Skandinavien etc., die nun schon Jahrzehnte andauern, hat er nicht nur sich als
Marke etabliert, sondern überhaupt einen internationalen Markt für Riesling
geschaffen. Ähnlich wie Nick Weiss, Egon Müller oder auch Wilhelm Weil.
Wer jedes Jahr in der Welt die Flagge des deutschen
Rieslings mit seinem Markenwein „Dr. L“ so atemberaubend und in dieser
sensationellen Auflage hochhält, der erweist bis heute dem Deutschen
Premiumweinmarkt einen großen Dienst. Viele Jungwinzer, die heute auf diesen
internationalen Märkten Fuß fassen, hätten dies ohne einen Ernie Loosen wahrscheinlich
nie geschafft.
Aber das ist nicht der Ernie Loosen, den ich bewundere.
Ich bin von dem Menschen fasziniert, der mir über seine Weinversuche so leidenschaftlich
und enthusiastisch berichtet, als hätte er erst gestern damit begonnen...
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