Weingut Robert Weil - Weils die Weine einfach wert sind


von Philipp Erik Breitenfeld
„Legenden und Märchen sind oft näher an der Wirklichkeit als amtliche Verlautbarungen.“ Was der gute alte Heinrich Albertz schon wusste, fand ich vor einigen Wochen in Kiedrich heraus. Dirk Würtz und ich sind seit Beginn des Jahres auf großer Weinkult(o)ur. Wir besuchen einige der renommiertesten Weingüter Deutschlands, um zu verstehen, dass man ganz schon viel hinter sich lassen muss, um zu erkennen wo vorne ist.

So führte unsere letzte Station zum legendären Weingut Robert Weil im Rheingau. Über den Fachwerkhäusern Kiedrichs thront gefühlt eines der wenigen Deutschen Weingüter mit Chateaucharakter. Seit 140 Jahren wird hier Wein produziert. Am südlichen Ausläufer des Taunusgebirges bringt man es auf „romantische“ hunderttausende von Flaschen Wein pro Jahr. Wilhelm Weil, der Urenkel des Firmengründers Robert Weil, schwingt hier das vinophile Zepter.

Weil ist eine echte deutsche Weinmarke. Angefangen von der Basis bis hin zu dem Grossen Gewächs, Weils Weine findet man weltweit in jeder Gastronomie, die etwas auf sich hält. Die Definition  ‚Deutscher Riesling’ ist im Ausland kaum vom Weingut Robert Weil zu trennen.

Hin und wieder werden vor allem im Netz Kritiken laut. Der Basisriesling würde seinem Preis qualitativ nicht gerecht, das Renommee spiegele nicht den Flascheninhalt wieder und auch ansonsten wissen viele der eingefleischten Weinfreaks über würdige Thronfolger bereits genauestens Bescheid. Auch ich muss zugeben, dass sich mir die Weine von Weil jung nicht gleich erschließen. In der spätpubertären Jungbloggerzeit war es zudem ein Muss, der Welt zu erklären, dass man günstigeren und höherwertigen Spaß im Glas haben könne.

Umso wichtiger war dieser Besuch. Entgegen der Annahme, man träfe hier auf eine Art affektierte und blasierte Selbstzufriedenheit, heißt mich ein tiefenentspannter und warmherziger Wilhelm Weil willkommen. Ein Mann, der etwas zu sagen hat. Sogar sehr viel. Ein Macher, den man durchaus  Traditionsbewusstsein und seine Liebe zur Herkunft abnimmt. Natürlich wird das Ganze entmystifiziert durch eine hochmoderne und technisch komplexe Kelleranlage. Die Romantik liegt eher an der Aussicht auf den Kiedricher Gräfenberg. Die wiederum ist einmalig.

Nun nehme ich aufgeschlossene Winzer durchaus sympathisch zur Kenntnis, jedoch wird am Ende immer das Ergebnis im Glas entscheidend sein. Was steckt hinter dem Mythos Robert Weil? Mehr Luft als Komplexität? Mehr Name als Substanz?

Dirk und ich erleben eine Vertikale des Grossen Gewächses (ehemals Erstes Gewächs) vom Kiedricher Gräfenberg. Den Beginn macht der 2001er Kiedricher Gräfenberg. Herrlich reifes Steinobst, elegante Quitte, das Ganze sehr balanciert mit einer kecken Säure, sowie einer vollen und delikaten Frucht. Der Wein wirkt nobel und aufgeräumt. Weiter geht es mit dem spannenden und sicherlich polarisierenden 2002er Reserve Kiedricher Gräfenberg. Hefig brotig in der Nase. Feine Nuancen von Röstaromen, nussige Töne und ein amüsanter Eindruck von nasser Wellpappe. Am Gaumen auffallend ausdrucksstark. Straff, stoffig, rauchig und edelherb im nachhaltig langen Finish.

Ich konnte schon erahnen, dass diese Herkunftsweine Zeit brauchen und dass es, wie bei so vielen Gewächsen, eine absolute Verschwendung wäre, würde man sie jung der geneigten Leber zum Trunk vorsetzen.

Restlos überzeugen konnte mich der 2004er Kiedricher Gräfenberg. Wenn es die Definition von einem perfekten Riesling gäbe, dann käme für mich dieser Wein sehr nahe heran. Fantastische Würze in der Nase. Rauchige Noten mit gereiften Aprikosen und einem nussigen Einschlag voller Eleganz. Am Gaumen eine absolut klare und edle Frucht. Unheimlich feingliedrige Struktur. Komplex und tief. Von Mineralik geprägt. Ergreifend animierend. Lang und einprägend. Nahezu Riesling in Perfektion. Würde mich jemand zur Bepunktung zwingen, dies wäre ein 99 Punkte Wein für mich.

Beim 2006er Kiedricher Gräfenberg wirkt die Nase noch etwas verschlossen. Am Gaumen jedoch erweist sich der Wein als druckvoll, stoffig mit einer reizenden Säure. Hier auch wieder die feine und animierende Mineralität. Er enthält  viel Substanz. Trocken mit einem herben langem Finish.

Dies waren die Highlights der Kiedricher Gräfenberg Vertikalen an diesem Abend. Am Ende Bedarf es nicht dem rebellischen Verriss. Man darf durchaus feststellen, dass die Weine ihrem Ruf gerecht werden. Aber kontemporärer Weinbau und traditionelle Größe müssen sich nicht widersprechen. Die Existenz des jeweils anderen kann der Gesamtperformance des Deutschen Weinbaus nur gut tun.

Wir können in Deutschland durchaus froh sein um Weingüter wie Robert Weil. Sie sind es, die den Ruf des Deutschen Rieslings in die Welt tragen und damit ambitionierten jungen Weingütern den Weg in Richtung Zukunft frei machen. Wie in einer diplomatische Synergie, steht am Ende Gewinn für alle Produzenten von herkunftsnahen und authentischen Weinen.

Am Denkmal Robert Weil ist nicht zu rütteln. Wer den Direttore kennt, der weiß, dass er mit Kritik nicht vor dem Weinberg halt macht. Hier kann ich nur einen tiefen Schluck vom Kiedricher Gräfenberg nehmen, um einen autarken, unverwechselbaren und profilstarken Ausdruck des Weinbergs im Rheingau zu schmecken. Und es schmeckt.

Wenn man dann noch auf einen Weingutsbetreiber trifft, der sich vor keiner Konfrontation scheut - ihm die Relevanz von Social Media deutlich zu machen, bleibt eine Herkulesaufgabe :-) - dann schließt sich der Kreis zu einem gelebten und sinnvollen Weinleben. Weils die Weine einfach wert sind…

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