Consigliere Dröfkes gereifter Barolo/Barbaresco Report, eine Zeitreise!
von Marc Dröfke
Was macht einen großen Wein
aus? Diese Frage zu beantworten fällt nicht leicht, denn an welchen Punkten
macht man fest ob ein Wein wahrlich ein „Großer“ ist oder nicht? Die Einen
meinen, es sei die perfekte Verbindung zwischen den Attributen wie Frucht,
Säure, Tanninen, Druck am Gaumen und dem Abgang, Andere schwören auf den
Terroirgedanken und wiederum Andere erklären diesen technisch. So bleibt die
Definition eines großen Weins wohl eine final individuelle Einschätzung.
Trotz all dieser Kriterien, macht einen großen Wein,
zumindest für mich, auch ein Stückchen spezielle Magie aus. Dieses Gefühl ist
schwer zu beschreiben und doch wird jeder einigermaßen ambitionierte
Weintrinker wissen, was ich meine.
Ebenso spielt das Umfeld, in
dem ein solcher Wein genossen wird, eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Ich
glaube, dass jeder noch so teure und hochgepriesene Wein in der falschen, oder
in gar keiner Gesellschaft, ein absoluter Flop sein kann. Wein bedeutet auch
teilen können und wollen. Und dabei muss es nicht immer ein Grand Cru aus dem
Burgund oder Premier Cru aus Bordeaux sein. Auch ein einfacher Wein kann,
getrunken in der richtigen Gesellschaft, mir große Freude bereiten. Natürlich
ist es auch so, dass speziell gereifte, rare Weine von herausragenden
Produzenten, die in so einer Runde geöffnet werden, das Gesamterlebnis nochmal
verstärken können.
Und so war meine Vorfreude vergangenen
Samstag besonders groß, als ich mich auf den Weg zu meiner allmonatlichen
Weinrunde machte. Das Thema dieses Mal: Barolo & Barbaresco. Diese beiden
Gewächse werden zu Recht in die Spitzengruppe der italienischen Weine
verordnet. Die Herkunft des Barolo sowie des Barbaresco, liegt in den
Langhe-Bergen im Piemont. Zur kurzen Orientierung, diese liegen zwischen der
oberen Ebene des Po bei Turin und den Ligurischen Alpen. Die ca. 15 km südlich
von Alba gelegen Gemeinde Barolo, gab dem erstgenannten Wein seinen Namen. In
Italien ist er auch unter „König der Weine“ bekannt.
Der Barbaresco, wird hingegen
oft zu Unrecht als der „kleine“ Bruder des Barolo bezeichnet. Dass dies der
falsche Ausdruck ist, beweist vor allem das sehr bekannte Weingut Angelo Gaja
jedes Jahr aufs Neue. Sie füllen einen Barbaresco ab, der so ziemlich jedem Barolo das Wasser
reichen kann. Leider spielt er auch preislich in einer anderen Liga.
Beide Weine sind keine Cuvees
aus verschiedenen Rebsorten, wie es z.B. in Bordeaux oft der Fall ist, sondern
reinsortig. Hierbei kommt die Nebbiolo-Traube zum Einsatz. Barolo &
Barbaresco sind aufgrund dieser Rebsorte in der Jugend häufig von sehr starken
Tanninen geprägt, können aber sehr lange lagern und werden oft mit zunehmendem
Alter immer vielschichtiger und besser.
Seit langem üben die Weine auf
mich eine besondere, nicht zu erklärende Anziehungskraft aus, weswegen ich mir
auch einige der Kollegen in den Keller gelegt habe. Viele von ihnen sind heute
einfach noch viel zu jung zum öffnen. Deshalb war ich umso gespannter, was die
gereiften Stöffchen so drauf haben.
Wir verkosteten eine kleine,
aber feine Auswahl von 7 verschiedenen Weinen mit zum Teil, soviel vorweg,
wirklich herausragendem Ergebnis. Die Weine wurden blind in zweier Flights
serviert. Der dritte Wein kam solo ins Glas.
Der erste Flight bot sofort
eine große Überraschung. Der Gastgeber erlaubte sich den Spaß und schenkte
einen Barolo ein, den er damals für 12 Mark beim Discounters Aldi gekauft
hatte. Das Etikett gab den Jahrgang 1997, sowie die Bezeichnung Vecchio Piemonte,
an. Ich muss ehrlich gestehen, der Wein hat mir geschmeckt. Und den anderen am
Tisch auch. Er war zwar schon etwas müde, wäre als Speisenbegleiter aber
durchaus „brauchbar“.
Wir machten alle große Augen,
als wir erfuhren um was für einen Wein es sich handelte. Für mich war
erstaunlich, dass dieser Wein sich trotz seines beachtlichen Alters für einen
Discounterwein so gut gehalten hat, auch geschmacklich komplex wirkte.
Ihm gegenüber stand ein
unglaublich jugendlicher Barbaresco vom Weingut Angelo Gaja aus dem Jahre 1989. Im Glas ein granatroter Wein mit
dunklem Kern, zu den Rändern hin dann doch schon ins ockerfarbene tendierend.
Die Nase zeigte rote Beeren, leicht süßliche Crema di Balsamico, etwas
Unterholz und eine Note, die mich an Karamalz erinnerte.
Am Gaumen zeigte der Stoff, im
Gegensatz zum Aldi-Wein, dann eine ganz andere Power. Sehr druckvoll bei
mittlerer Säure und immer noch präsenten Tanninen. Mit der Zeit legte er im
Glas auch nochmal deutlich zu. Wer noch eine Flasche daheim hat, kann diese
problemlos weitere 5-10 Jahre lagern. Die erste Benchmark war gesetzt.
Darauf folgte ein Wein von Aldo Conterno aus dem ebenfalls sehr
guten Jahrgang 1990. Der Barolo Colonnelo zeigte sich im Glas schon eher wie
man einen typischen Nebbiolo kennt. In einem hellen Kirschrot mit Wasserrand.
Auch in der Nase sehr typisch:
Getrocknete Rosenblätter, balsamische und viele erdige Noten sowie etwas
Lakritze. Im Mund dann der für mich eleganteste Wein des kompletten Tastings.
Nichts sticht heraus, alles ist an seinem Platz, Säure und Tannine sind stimmig
integriert. Wie ein perfekt geschneiderter italienischer Maßanzug, schmiegt
sich der Wein an den Gaumen und verweilt dort auch nach dem ersten Schluck
unglaublich lange. Dabei wirkt er aber so unglaublich leicht. Ein herausragend
guter Stoff, der die Tischrunde das erste Mal sprachlos zurück ließ. Es sollte
nicht das letzte Mal gewesen sein.
Der nächste Flight war erneut hoch
interessant. Zwei Weine vom selben Produzenten, Bruno Giacosa, aber mit absolut unterschiedlichen Stilistiken, so
dass ich niemals auf ein- und denselben Winzer gesetzt hätte.
Im ersten Glas ein sehr
klassischer Barolo Falletto di Serralunga d´Alba aus dem Jahre 1982. In der
Nase noch sehr jung wirkend, mit noch deutlicher Frucht, Himbeere und rote
Kirsche, neben welken Rosenblättern, etwas Veilchen sowie feuchtem Waldboden,
alles unterlegt mit einer schönen und dezenten süßen Note.
Am Gaumen sehr charmant mit
langem Finale. Die Säure ist da, sticht aber nicht unangenehm heraus, sondern
trägt den Wein sozusagen.
Im anderen Glas dann mein Wein
des Abends. Wiederum Bruno Giacosa,
wieder Barolo Falletto, allerdings dieses mal der Riserva aus meinem
Geburtsjahrgang 1989. Alle Riservas von Giacosa sind gut erkennbar an ihren
rostroten Etiketten.
Die Farbe ist ockerbraun mit
einem dunklen schwarzen Kern. In der Nase ein Wein, wie ich ihn noch nie zuvor
erlebt habe. Super polarisierend, herausfordernd und unglaublich komplex.
Verändert sich stetig im Glas. Zuerst eine sehr stark ausgeprägte Note, die an
Liebstöckel erinnert. Dann salzig, jodig, viel Kräuter, abgehangenes Fleisch,
Sherry, Walnuss, Süßholz, Asche und ein wenig Teer. Kaum bis keine Frucht.
Dieses Geruchsbild gefiel nicht jedem am Tisch. Mir dafür umso besser. But, not
everybodys darling!
Am Gaumen waren sich
allerdings alle einig. Hier knallts richtig! Mit Abstand der Wein mit der
meisten Power im Tastings. Lebendige Säure, unglaubliche Spannung und Vibration
am Mittelgaumen. Kalter Rauch, Leder und eine „animalische“ Note, notiere ich
auf meinem Zettel. Sehr sehr langes Finale, minutenlanger Nachhall. Und dabei
noch so wahnsinnig jung wirkend. Hat Potential für mindestens 10, nein 20,
weitere Jahre. Wow! Ein Wein der mich sprachlos macht. Ein Monument. Und der
beste Wein, den ich bis dato in meinem Leben trinken durfte.
Ich brauchte erstmal eine
viertel Stunde, um mich wieder konzentrieren zu können. So gefangen war ich von
diesem Stoff. Doch dann richtete sich mein Blick nach vorne, denn ich wusste
jetzt musste er kommen, der Wein, den ich am meisten herbeisehnte. Der 1971ger
Barolo Monfortino Riserva von Giacomo
Conterno. Ihm gegenüber stand ein weiterer Barbaresco von Gaja. Diesmal ein Vecchia Riserva, aus
einem nicht ganz identifizierbarem Jahrgang. Auf der Flasche selbst zeigte sich
kein Hinweis. Vielleicht kann hier ein erfahrener Leser weiter helfen. Der
Gastgeber meinte, dass der Wein aus den 60ger Jahren stammen müsste.
Die Farbe erinnerte mehr an
einen Rose Wein, als einen roten. Fast durchsichtig. Wie ein Glas Wasser mit
nur einem kleinen Schuss rotem Johannisbeersaft. Die Nase zeigt trotz allem
noch einige Tertiäraromen wie Pilze, viel feuchtem Waldboden und Sherry. Im
Mund dann eine Überraschung. Ich dachte der Wein ist tot. Von wegen, die Säure
war noch präsent, natürlich nicht mehr mit der Lebhaftigkeit, aber trotzdem.
Eine wahrliche Wundertüte.
Der Monfortino hingegen,
zeigte sich in einem bestechenden Zustand. Die Farbe erinnerte stark an
Motoröl. Dunkles, ockerfarbenes Braun mit einer Aufhellung an den Rändern. Wenn
man bedenkt, dass dieser Wein mittlerweile 43 Jahre alt ist, Wahnsinn! In der
Nase ist trotz des Alters etwas Frucht geblieben. Sie erinnert an getrocknete
rote Beere. Daneben brauner Kardamom, Zimt, getrocknete Blüten, Lakritze,
Leder, welkes Blattwerk, ganz wenig Waldhonig und eine balsamische Note. Alles
wunderschön ineinander verwoben. Hier gab es keinen Grund für Diskussionen. Wir
waren alle einstimmig begeistert.
Am Gaumen ein charmanter,
eleganter Wein. Sauerkirsche und Lakritz schießen mir in den Kopf. Wunderschön
samtig und trotzdem sehr druckvoll bis ins lange Finale. Er ist aber nicht so
maskulin, wie der Falletto Riserva von Giacosa, sondern erinnert eher an eine
wunderschöne, in würde gealterte italienische Frau in einem maßgeschneiderten
Kleid von Valentino. Nicht mehr so jung und feurig, sondern alles mit mehr Stil
meisternd, dabei aber trotzdem immer mit genügend Nachdruck am arbeiten. Ein
zeitloser Wein. Ebenfalls sehr nahe an der Perfektion.
Was bleibt noch zu sagen? Nur
so viel: Eine Probe, die mir noch lange im Gedächtnis verankert bleiben wird.
Sie war ein absoluter „game changer“ für mich. Und ich bin so unglaublich
dankbar, dass wir keine Ausfälle hatten. Alle Weine präsentierten sich in einem
tollen Zustand, was bei manchen Kandidaten mit entsprechendem Alter nicht
unbedingt so zu erwarten war. Diese Weine gehören für mich zur absoluten
Weltspitze. Natürlich sind die Preise inzwischen exorbitant, trotzdem sollte
man sich so eine Horizont erweiternde Flasche einmal im Leben gönnen. Es lohnt
sich, versprochen!
Zum Abschluss noch ein kurzes
Wort zur Wahl des passenden Glases. Ich habe meine Riedel Pinot Noir XL Gläser
aus der Vinum Serie verwendet und die Weine präsentierten sich ungemein offen
und sehr fokussiert. Mein Gegenüber verkostete zuerst mit seinen mundgeblasenen
Gabriel Gläsern. Die Weine gingen dort komplett unter. Er wechselte nachher
seine Gläser und war mehr als froh einen zweiten Satz dabei gehabt zu haben.
Deshalb mein Tipp. Benutzt bei solchen Proben große
Gläser in denen der Wein viel Luft bekommt. Es ist ein komplett andere Art des Verkostens.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen