BEAUJOLAIS RELOADED - Blog-Sommelier Alfred Voigt hängt seine Nase in die Region voller Kontroversen!

von Alfred Voigt


Es klingt schon sehr überraschend, wenn man hört, dass vor nicht allzu langer Zeit ein Wein der Rebsorte Gamay aus dem Beaujolais Cru Moulin-a-Vent teurer war als etwa ein Richebourg aus dem Burgund! 

Bei meiner ersten Reisen in diese Region südlich von Burgund und nicht weit  nördlich von der Côte-Rôtie an der nördlichen Rhône, erschloss sich mir die Qualität dieser Region nicht wirklich. Wunderschöne Gewölbekeller, die aber nackt da standen, weil alle Holzfässer geräumt waren. Belanglose, rein fruchtorientierte strukturarme Weine gab es zu probieren, ohne viel Lagen- oder Jahrgangscharakter. Das stand im krassem Gegensatz zu der herrlichen Landschaft, den freundlichen Menschen und dem schmackhaften Essen. Allein einige wenige Winzer erzeugten Spannung und es waren die alten gereiften Weine mit 20 oder mehr Jahren, die das Image dieser Region aufrecht erhielten.

Das war so ca. im Jahr 1991 und so dachte ich mir vor ein paar Jahren: mal sehen ob sich nach dem Niedergang des Beaujolais Nouveau dort etwas geändert hat, also die Weine wieder interessanter geworden sind. Zeit also, sich aufzumachen in dieses Bilderbuchfrankreich.

Keine Weinreise ohne Vorbereitung. Wir bestellten also bei den engagierten Importeuren in der Republik, was die so empfohlen hatten und stürzten uns auf die Weine. Wenn ich hier von wir spreche, ist das nicht der Majestatis Pluralis, sondern damit meine ich meine Frau Susanne, mit der ich in der Regel alles gemeinsam probiere.

Das war dann doch wieder was Anderes und wir fühlten uns an Altmeister Marcel Lapierre aus Morgon erinnert. Die Weine von Daniel Bouland (Morgon), Louis Claude Desvignes (Morgon) oder Domaine du Vissoux (jetzt Domaine Chermette) Saind Vérand und natürlich die Weine von Jules Desjourneys Pontanevaux rührten uns an und wir fingen an, Beaujolais wirklich zu mögen und zu schätzen und dann irgendwann auch ernst zu nehmen. Als wirkliche Vin de Garde, also lagerfähige Weine. Nicht mehr nur die Frucht stand im Vordergrund, sondern es gesellte sich Struktur, Mineralität und Vielschichtigkeit dazu, das alles gepaart mit Leichtigkeit und Eleganz. Also schon sehr eigenständig und spannend.

Die Probe zu Hause genügt natürlich nicht, man will ja auch sehen, was vor Ort so los ist, also was die Rebsorte Gamay so alles kann. Bei meinen vielen Weinreisen haben wir uns eigentlich wenig um Literatur oder Empfehlungen von außerhalb bemüht, sondern sind immer zu engagierten Gastronomen und Sommeliers vor Ort gegangen, haben eine Flasche deutschen Riesling überreicht und dann um Tipps und  Kontakte zu angesagten Produzenten gefragt. Nur so sind wir zu Winzern wie Cotat, Gonon, Overnoy oder Jacques Reynaud gekommen.

Folglich kamen wir auf die Auberge de Clochemerle in Vaux-en-Beaujolais, einem sternegekrönten Restaurant im Herzen des Beaujolais Village. Clochemerle ist jedem Franzosen ein Begriff, beschreibt er doch in dem Roman von Gabriel Chevalier den fiktiven Ort an dem es zu einer humoresken Auseinandersetzung kam, zwischen der konservativen katholischen Bevölkerung und dem eher fortschrittlichen Bürgermeister, der in Sichtweite der Kirche doch tatsächlich ein Pissoir errichten lassen wollte. Don Camillo und Peppone  auf französisch. Unbedingt lesenswert.

2017 und 2018 fuhren wir also Richtung Süden und fanden in dem Restaurant neben der ausgezeichneten, hochkomplexen Küche (eher ** als*) eine veritable Auswahl der dortigen Weine und eine fundierte Expertise dazu bei der Patronne und Sommelière Mme Barth.

So würde ich gerne im Folgenden einige unserer Entdeckungen vorstellen, die noch kaum oder gar nicht bekannt bei uns sind.

Domaine Nicolas Chemarin in Marchampt
Der junge Nicolas Charamin nennt 10 Ha Weinberge sein eigen, im Wesentlichen im Beaujolais-Villages Gebiet bei Marchampt, aber auch im Cru Régnié und Morgon, dort in den zwei Lagen Charmes und Corcelette. Nach Ausbildung und Erfahrung in anderen Betrieben, blickt er aber inzwischen auf 12 Jahre Erfahrung im eigenen Weinberg zurück (2006 der erste Jahrgang). Die Startfläche von 3 Ha hat er inzwischen auf 10 erweitert. Ein kleiner Teil ist auch mit Chardonnay bestockt, der aber immer ganz schnell ausverkauft ist. 

Beim Weißwein experimentiert er mit Maischestandzeit von 36 Std. baut aber den Presswein danach gesondert im Pièce aus. Diesem Wein gibt er  besonders viel Reifezeit und will ihn erst in Jahren in den Verkauf bringen. Wir waren sehr angetan von dem Wein, der etwas ans Jura erinnert, aber sehr sensibel gefertigt ist.

Die Roten bei ihm werden schon traditionell in Semi-Carbonic vergoren, bekommen aber durch das Aufrühren deutlich mehr Struktur. Bei der Kohlensäuregärung werden die nicht entrappten und nicht gequetschten Trauben im geschlossenen Tank vergoren, d.h. innerhalb der intakten Trauben beginnt eine enzymatische Gärung, die aber zunächst nur wenig Alkohol ergibt. Im Laufe des Vorgangs brechen die Trauben auf und die Gärung mittels Hefen geht weiter. Da der Tank aber verschlossen ist, gelangt kein Sauerstoff hinein. Bei der eigentlichen Kohlensäuregärung wird noch CO2 in den Tank geleitet, um wirklich Sauerstoff fern zu halten. Das Ergebnis sind weiche fruchtbetonte Weine, die schnell nach der Ernte trinkbar sind.

Wie schon erwähnt, betreibt Cheramin eine Kombination von Kohlensäure- und Maischegärung, um den Weinen auch Struktur und Kraft mitzugeben. Ausgebaut wird in Beton und Holz, abgefüllt wird ungeschönt und unfiltriert und interessanterweise füllt er jeden Wein einmal geschwefelt und einmal ungeschwefelt ab. Spannenderweise erhielten die ungeschwefelten Abfüllungen ihren Lagen- und Sortencharakter – das ist eher selten in der Szene.

Einen sehr feinen Régnié produziert er und einen kraftvollen Morgon, der Mangels Menge in den letzten Jahren aus einer Cuvée seiner beiden Lagen bestand.

Spannend wird es aber bei den roten Villages Weinen:
Die Basis der p’tit rubis, ein am Hang auf ca. 500 Höhenmeter produzierter charmanter Gamay. Daneben der Janneau von alten Reben (50-80 Jahre alt) schon mit mehr Kraft und Spannung. Der Knaller kommt aber vom anderen Ende des Berges. Fast auf nacktem Granitfels gewachsen  ist Le Rocher – ein unglaublich guter Wein mit immenser Mineralität, feinem Körper und Komplexität – ausgelegt für ein langes Leben. Da sage noch einer, in den Beaujolais-Villages könnte man keine großen Weine machen. Ein junger, talentierter und sehr engagierter Winzer, der sicher noch einiges erwarten lässt.

Clos de Mez Marie-Elodie Zighera-Confuron  Fleurie
Mme Zighera hatte ebenfalls ihren ersten Jahrgang in 2006, hat aber zuvor diverse Ausbildungen in Weinbau und Önologie absolviert. Ihr Schwager ist der Winzer Confuron in Vosne Romanée und so hat sie auch ihren eigentlichen Wohnsitz dort, ist also nur zum arbeiten in Fleurie, hat aber hier ihre Wurzeln.

Ihre gut 5 Ha Rebflächen, übrigens ausschließlich Gamay, wurden traditionell immer über die Frauen vererbt, wobei ihre Elterngeneration die Weine nicht selbst gemacht hat. Im zarten Alter von 15 Jahren wurde ihr dann die Frage gestellt, ob sie sich vorstellen könnte, Winzerin zu werde. Ohne zu zögern war das ihr Ziel, welches sie dann auch zielstrebig verfolgt hat.

Der Name des Gutes ist eine Ehrerweisung ans Burgund, eine Abwandlung des Clos de Bèze in Gevrey, wobei die Familie wirklich einen von Mauern umschlossenen Weinberg besitzt.

Von Beginn an hat sie die Weinbereitung komplett umgestellt, was den damaligen Kellermeister dazu veranlasste, das Weite zu suchen. Trotz aller Konsequenz hat es bis 2016 gedauert zur Zertifizierung als Bio-Betrieb.

Grundsätzlich werden die Weine wie in Burgund produziert, offene Maischegärung der nicht entrappten Trauben. Nur Gravitation, Kaltmazeration, Aufrühren der Maische, Ausbau im Holz…
Das hat schon mal sehr neugierig gemacht! Lediglich drei Weine produziert sie: einen eher typischen, fruchtbetonten Fleurie Mademoiselle M, um zu zeigen, dass sie das auch kann. Dann gibt es einen Morgon von 90jährigen Reben: Kraft, Frucht und Struktur sind hier gepaart mit Charme und Zugänglichkeit. Der dritte Wein schließlich ist ein Fleurie, den sie Le Dot nennt, also die Mitgift. Wirklich ein anderer Fleurie mit kraftvollem Körper, reifer Frucht und starkem Potential.

Weine zum Essen will sie ausbauen, in guter französischer Tradition. Bis Jahrgang 2012 konnten wir zurück probieren und haben so einen ersten Eindruck bekommen vom Potential dieser Weine. Wir haben uns jedenfalls einen kleinen Vorrat dieser großartigen Weine angelegt und sind gespannt auf die weitere Entwicklung.

Domaine des Gardette Vaux-en-Beaujolais
An dieser Stelle sei einmal eine Lanze gebrochen für die vielen Weingüter, die nicht im Rampenlicht stehen, die guten, einfachen Wein produzieren mit Ausgewogenheit, Länge und Charme. Keine Probierweine, sondern Trinkweine die Spaß machen und einfach gut sind, ohne dass man über sie stundenlang philosophieren könnte.

Ein solches Weingut ist die Domaine des Gardette im Kern des Beaujolais Villages. Marie-Francoise und Claude Gardette bauen alleine und auf 12 Ha in Handarbeit Wein an, 1 Ha davon Chardonnay. Sie haben „nur“ Stahl und Betontanks und ein Holzfässchen. Die Weinberge liegen auf Steillagen und sind durch die extrem kleinen Rebstöcke sehr schwer zu bearbeiten. Dreiviertel der Weine müssen sie im Tank verkaufen, kein Händler, kein Internet, keine Gastronomie unterstützt sie beim Verkauf. Einen kleinen Probierraum haben sie auch, der vor allem von Ihren Pensionsgästen genutzt wird, diese sind auch die wichtigsten Abnehmer ihrer Weine. Fast die Hälfte des Ertrages wird als Beaujolais Villages Nouveau vermarktet. Etwas ordentlichen Schaumwein lassen sie auch produzieren.

Der Chardonnay von 40-70jährigen Reben ist richtig gut und lecker, ausgewogen mit ordentlicher Länge und säurefrisch. Der 16er Beaujolais Villages hatte eine schöne Kräuterwürze, pfeffrigen Charme und eine ordentliche Portion Gerbstoff. Die Vieilles Vignes schließlich von 2017 (70-80jährige Reben) waren noch etwas vom Holz geprägt, zeigten aber eine weiche ausgeprägte Struktur mit zarter Frucht. Das alles zu Preisen von rund 5€ pro Flasche!

Nebenbei haben sie ein Gästezimmer mit Frühstück (und tollem Kamin, der im Winter vom Chef täglich angeschmissen wird) und eine Unterkunft für Gruppen zur Selbstversorgung.  Wandern kann man hier übrigens auch ausgezeichnet und erhält Tipps für alles von den reizenden Gastgebern Marie-Francoise und Claude.

Guillaume Chanudet Fleurie
Leider nur im Urlaub erreicht haben wir Guillaume Chanudet, Jahrgang 1992! Sein 2015er Fleurie La Patte du p’tit Chat, wohl nur einer von zwei Weinen, die er produziert, hat uns fasziniert. Feine Frucht in der Nase die sich am Gaumen übergangslos fortsetzt. Himbeer, Kirsche und andere rote Beeren im Geschmack mit viel Charme aber auch Gerbstoff und Kraft. Toller Wein.
Leider konnten wir nicht mehr von ihm kennenlernen. So bleibt aber die Freude auf unsere nächste Tour in die Region.

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