Unbedeutende Anmerkungen zum Naturwein


von Sommelier Alfred Voigt Das mutet schon etwas seltsam an, wenn auf einmal bedeutende Winzer und aktionsorientierte Sommeliers maischevergorene Weißweine und ungeschwefelte Rotweine als das Nonplusultra der Weinbereitung propagieren! Da muss ich natürlich an meine Anfangsjahre Ende der 80er und Beginn der 90er Jahre denken. Eine meiner ersten Weinreisen führte mich ins Jura, und ich kam stolz mit einigen Kartons voller Flaschen vom damaligen Starwinzer Jean Macle (in Frankreich übrigens heute noch hoch angesehen) zurück. Diese bot ich dann völlig enthusiastisch meinen Stammgästen an. "Interessant" bekam ich zu hören, "weil Sie es sind, trinken wir den jetzt, aber nächstes Mal bitte wieder was normales." „Zu karg, zu mineralisch, zu wenig Schmelz." Dann Beaujolais und Burgunder – rot und ohne zugesetzten Schwefel. Tolle sinnliche Weine, alle mit Wachskapsel und der Empfehlung, sie nicht über 12 Grad zu lagern. Sie kamen von dem Pionier Marcel Lapierre (2010 leider verstorben) in Morgon/Beaujolais. Absolut faszinierend, aber die Gäste!! Wieder "zu anstrengend, zu trocken und keine Süße vom Alkohol oder Extrakt." Halt Gamay, bzw. Pinot pur. Bei diesen Weinen muss man sofort auch an seinen Neffen Philippe Pacalet denken, der den Verzicht auf Schwefel propagierte und auf diesem Weingut mit seinem Onkel zusammen wirkte. Er arbeitete dann auch bis 2001 für Henry Roch, dem Miteigentümer von Romanée-Conti. Die eigenen Weine von M Roch wurden konsequent auf Bio umgestellt, in den 90er Jahren waren das noch Exoten an der Côte d’Or, da die meisten Böden totgespritzt waren. Wie ein offen gelassenes Getreidefeld sah es dann auch dort aus, und die Nachbarn schüttelten nur den Kopf. Die Weine waren aber absolut faszinierend und kamen aus verschiedenen Dorflagen um Nuits-St-Georges. Ich kaufte natürlich, aber was geschah dann: Ich öffnete einen Premier Cru (ziemlich teuer) und am Rand des Glases sammelten sich feine Perlen – Nachgärung!! So verschwanden die Weine auch wieder aus meinem Programm und der Winzer produziert heute „normale“ Weine. Was natürlich bleibt, ist der Trend in Burgund zur Biodynamie, dass die Böden wieder aktiviert werden mussten, war dann wohl doch offensichtlich. Vorher fragte ich aber auch einige Winzer in Deutschland, ob sie ohne Schwefel arbeiten würden. Ich erntete nur Kopfschütteln und die Aussage: das geht nicht. Mag sein, dass diese Pioniere noch nicht genau mit diesem Thema umgehen konnten, was aber ganz offensichtlich ist: Maischegärung, Amphore und Verzicht auf Schwefel führt ganz eindeutig zu einer Uniformierung der Weine. Rebsorten und Lagen werden zweitrangig, und das kann es ja wohl nicht sein, dass über Jahrhunderte die besten Lagen und Rebsorten herausgearbeitet wurden um dann von der Gärung und dem Ausbau nivelliert werden. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich eine Reihe von sensiblen Winzern, die damit umzugehen verstehen und im Nischenbereich etwas Spannendes schaffen. Also, ihr lieben Trendsommeliers: Bevor ihr etwas als das Nonplusultra herausstellt, beschäftigt euch damit intensiv und blickt ruhig mal in die Vergangenheit. Auch früher gab es schon Innovationen und revolutionäre Ansätze. Zum Wohl des Ganzheitlichen!

Kommentare

  1. Ich würde bezweifeln, dass die Weine von Prieuré-Roch normales Burgund sind, geschweige denn Mainstream. Mehr "nature" findet man eigentlich kaum in der Bourgogne und es kann immer noch passieren, dass man in den Weinen Gärungskohlensäure findet.

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