Grosse Gewächse 2013 - ein Querschnitt der Gemütlichkeit, eine Ode an die Deutschen Grand Crus!
von Marc Dröfke
Es gibt ihn. Den gut sortierten Weinfachhändler in meiner Gegend, für den ich nicht 50 km mit dem Auto zurücklegen muss. Zugegeben, ich habe ihn bis zuletzt nicht wahrgenommen. Schade, denn auch ich finde und möchte, dass der regionale Fachhandel unterstützt wird. Soweit dies eben möglich ist. Obwohl der Handel im Internet in meinen Augen ebenfalls seine Vorteile beweist.
Im Oktober 2013 haben Andreas Herrmann und sein Kollege Antonio Cappadona, „Carpe Noctem“ gegründet und ihr Ladengeschäft in Göppingen eröffnet.
Der Fokus liegt ganz klar, regionaltypisch, auf den Gewächsen aus Württemberg, von denen sie eine ganz schöne Bandbreite vorweisen können: Schnaitmann, Ellwanger, Aldinger bis hin zu Krauß, Beurer und Haidle.
Es ist alles vertreten, was Rang und Namen hat. Die Beiden möchte auch in Zukunft diesen Zweig weiter ausbauen und pflegen, denn der Wein aus dem Ländle liegt ganz besonders am Herzen.
Das Sortiment wird komplettiert durch andere deutsche Spitzenwinzer von der Nahe, Rheinhessen, Pfalz und Mosel. Auch einige internationale Platzhirsche fehlen auf der zum Teil moderat bepreisten Liste nicht. Den Bärenanteil stellt aber der deutsche Wein. Und das ist gut so.
Neben dem Verkauf werden im Laden hin und wieder auch Proben organisiert. Zum Teil kommt der Winzer direkt vorbei und präsentiert seine Weine (letzter Besucher war Gert Joachim Aldinger). Oder es gibt zu einem gewissen Themengebiet eine Verkostung durch die die beiden Inhaber fachgerecht führen.
Und so war mein erster Besuch mit einer Probe, einer ansehnlichen Anzahl an Großen Gewächsen aus dem (noch) aktuellen Jahrgang 2013, verbunden.
Über 2013 wurde im allgemeinen schon viel gesagt und geschrieben, weshalb ich mich auf meine subjektive Wahrnehmung dieser „Grand Crus“ Deutschlands beschränken möchte. Es dreht sich bei den folgenden Weinen ausnahmslos um Gewächse aus der Riesling Traube. Alle Flaschen wurden 3-5 Stunden vor dem Genuss geöffnet und doppelt dekantiert. Diese Vorgehensweise ist dem noch relativ jungen Alter geschuldet.
Wir verkosteten alle Großen Gewächse der Weingüter Schäfer-Fröhlich/Nahe, A.Christmann/Pfalz, Wagner-Stempel/Rheinhessen sowie R. Schnaitmann/Württemberg und des württembergischen Shootingstar Jochen Beurer.
Den Anfang machten die beiden, sich doch recht deutlich voneinander abhebenden, Weine von Wagner-Stempel. Wer einen genauen Jahrgangsbericht des Weingutes haben will, kann diesen hier nachlesen.
Der Höllberg wirkt in der Nase schon sehr offen mit viel reifer, gelber Frucht, reifer Aprikose, Grapefruit und etwas Honig sowie einen Hauch Vanille.
Im Antrunk ist der Wein sehr saftig, mit etwas breiteren Schultern und einem schönen Schmelz. Die Säure ist bereits gut eingebunden. Was mir etwas fehlt, ist die Länge.
Im direkten Vergleich wirkt der Heerkretz bei weitem noch nicht so weit wie sein Bruder. In der Nase versprüht er zwar ebenfalls schon die ersten exotischen Noten von Maracuja, Ananas und etwas reifem Pfirsich. Das Ganze wird aber unterlegt mit einem kräftigen Schuss Kräuter und Gesteinsmehl und einer leicht hefigen Komponente. Alles ist unglaublich dicht und fest und will noch nicht so ganz.
Am Gaumen wirkt der Wein zunächst sehr kühl und zurückhaltend, doch dann kommt die massive Säure daher wie ein Vorschlaghammer. Bumm! Unglaublich viel Druck und Zug hinten raus. Bleibt lange stehen.
Keine Frage, das kann eine richtig große Nummer werden. Time will tell.
Es ging weiter mit den Weinen von VDP-Präsident Steffen Christmann. Dabei ist der Langenmorgen der offenste Wein des verkosteten Quintetts. Viel klare Frucht in der Nase unterlegt mit etwas Kräuterwürze. Am Gaumen sehr saftig mit einer recht hohen Säure, wird aber mit etwas mehr Zeit im Glas immer harmonischer.
Der Mandelgarten ist hingegen feingliedriger und eleganter. Gleichzeitig sehr fest, straff und jugendlich wirkend. Hat viel Potential unter der Haube. Nach dem Idig der beste Wein aus der Palette von Christmann.
Über den Reiterpfad kann ich nicht viel berichten. Er zeigt sich unglaublich verschlossen. Irritierend ist die niedrige Säure im Vergleich zu seinen vier Kollegen. Auch hier gilt es zu warten.
Christmanns Paradewein Idig ist ein kühles, dunkles Geschoss mit einer verhaltenen Nase, die noch nicht alles von sich preisgibt. Frisch angeschnittener weißer Pfirsich, Zitronenabrieb und (witzigerweise) eine leichte Karamalz-Note werden begleitet von einer starken Gesteinsmehl - Komponente.
Am Gaumen ist alles an seinem Platz, ohne unnötig herauszustechen. Die Säure ist sehr gut eingebunden. Eine herrliche salzige Note gestaltet das lange Finale. Müsste ich diesen Wein mit einem Wort beschreiben, wäre es: Balance.
An den GGs von Tim Fröhlich scheiden sich meist die Geister. Die einen lieben diesen extremen Stil, den Fröhlich seit einiger Zeit fährt. Den anderen sind die Weine zu „gemacht“, zu viele Gestank von der Spontangärung, die hier ausgereizt wird wie bei kaum einem anderen Weingut an der Nahe, ja in ganz Deutschland.
Durch das frühzeitige öffnen, sowie doppelt dekantieren der Weine hielten sich die „Stinker“ in Grenzen. Bei dem einen Wein waren sie präsenter, bei dem anderen wieder weniger.
Das Frühlingsplätzchen präsentierte sich als zugänglichster Wein der Runde mit einer leichten exotischen, gelbfruchtigen Note in der Nase. Daneben leicht rauchige Aromen. Am Gaumen wirkt der Wein nicht ungestüm, sondern eher mit abgerundeten Kanten. Die Länge ist gut, aber nicht sensationell.
Die Kupfergrube hat viel Kräuterwürze, dazu gesellen sich weißer Pfirsich und etwas Stahl. Am Gaumen unglaublich hohe Mineralität gepaart mit einer sehr hohen Säure, die aber geschliffen wirkt und den Wein im langen Finale zusammen hält. Toll!
Komplex und in sich ruhend. So beschreibt sich der Halenberg wohl am Besten. Da ist viel Zitrus neben dem omnipräsenten weißen Pfirsich und rauchigen Noten. Im Mund fällt der Wein sehr saftig und ausgewogen aus.
Eines der komplettesten Gesamtpakete an diesem Abend präsentiert der Felsenberg. Zunächst die beschriebene Sponti-Nase. Dahinter Kümmel, Stahl, Zitronenabrieb sowie eine leicht hefige Komponente. Mit mehr Zeit im Glas öffnet sich der Wein mehr und mehr und gibt etwas von der Frucht frei, die sich unter der Oberfläche verbirgt.
Leicht süßlich im Antrunk, eher schlanke und feine Struktur bei gleichzeitig viel Extrakt und Spiel. Das lange, salzige Finale rundet das Paket ab.
Über das Große Gewächs aus dem Stromberg hatte ich bis zu dieser Probe nicht sonderlich viel gelesen. Es ist aber definitiv ein Stoff den man sich auf den Radarschirm holen sollte, wenn man Anhänger von kompromisslosem Riesling ist. Der Wein ist noch sehr verschlossen und zeigt nur im Ansatz seine Stärken, die er in fünf Jahren sicherlich ausspielen kann. Nahezu keine Frucht, wenn man den Riechkolben bedient, nur Gesteinsmehl, Feuerstein und kalter Rauch. Sehr karge Stilistik, die einem zusagen muss. Super hohe Säure, Mineralik pur, Zug, Druck, Spannung. Es ist alles vorhanden, um ein richtig großes Feuerwerk abbrennen zu können, aber das Kunstwerk muss sich noch finden. Einziger Kritikpunkt: Er weist nicht die absolute Länge im Abgang auf.
Das Flagschiff aus dem Sortiment von Schäfer-Fröhlich ist ohne Zweifel der Felseneck. Er gehört für nahezu alle Experten immer unter die Top 10 der trockenen deutschen Rieslinge. Jahr für Jahr.
Der 2013er weist in der Nase die deutlichste Sponti-Note der Verkostung auf. Darunter dann viel Kräuterwürze, nasser Stein, Zitronenabrieb, etwas Grapefruit, Meersalz sowie ein Hauch von Minze.
Am Gaumen trifft brutale mineralische Kraft auf eine hohe, aber dennoch reife Säure. Sehr steinig, intensiv, komplex und mit einem minutenlangen Nachhall, sowie einer unfassbaren Salzigkeit, die ewig auf den Lippen zu verbleiben scheint. Ein wahrlich GROßES Gewächs.
Die Ganze Kollektion von Fröhlich empfand ich als außerordentlich gut. Es ist durchweg eine klare Linie zu erkennen, wobei jeder Wein auf seine Art überzeugt.
Zum Abschluss der Probe mussten sich die in Württemberg heimischen Gebinde noch dem direkten Vergleich unterziehen.
Den Anfang machte dabei der Uhlbacher Götzenberg von Rainer Schnaitmann. In der Nase eine ungewohnt anmaßende Kombination aus süßlicher Frucht, die etwas kitschig wirkt, etwas Hefe, Traubenzucker und (komisch?) Rinderbrühe. Ehrlich: Not my cup of tea. Am Gaumen dann (glücklicherweise) ein anderes Bild. Eine gute Balance zwischen der Frucht und einer reifen, hohen Säure die sich mit der Zeit noch etwas besser integrieren wird. Der Wein wirkt zwar nicht besonders fest, aber hat durchaus eine gewisse Vielschichtigkeit.
Der Counterpart Lämmler Bergmandel, ebenfalls aus dem Hause Schnaitmann, ist ein ausgewogener Wein mit einer schon recht offenen, sehr feinen Nase, die nebst Quitte, Marille und Ananas etwas Vanille aufweist. Auch im Mund setzt sich dieser „runde“ Eindruck fort. Hat nicht ganz die Länge seines Bruders, ist dafür aber jetzt schon deutlich bekömmlicher.
Die letzte Flasche des Abends war für mich persönlich die größte Überraschung. Zwar hatte ich bereits die Lobeslieder auf Jochen Beurer vernommen (u.a. Weißweinkollektion des Jahres 2015 im Eichelmann). Dennoch war ich skeptisch, ob im Schwabenländle Riesling erzeugt werden kann, der mit den ganz, ganz Großen mithalten kann.
Was Beurer allerdings in Form seines Stettener Pulvermächer auf die Flasche gezogen hat, zerstreut jeden Zweifel. Diese wunderbare Kühle und Frische bringt Schnaitmann so nicht ins Glas. Auch die Konzentration, Spannung und der Druck am Gaumen sind hier noch eine Stufe ausgeprägter. Dabei wirkt der Wein gleichzeitig sehr leicht und tänzelnd. Wirklich großartig.
Das abschließende Fazit fällt recht leicht. In der gesamten Probe habe ich keinen Wein getrunken, den ich als unterdurchschnittlich empfand. Alle Großen Gewächse hatten ein durchgehend hohes Niveau, es gab keinen wirklichen Ausfall. Die Spitze zeigte sich enorm stark. Weine die sich vor keiner internationalen Konkurrenz fürchten müssen, denn sie sind mit genügend Substanz ausgestattet, um einen langen Weg zu gehen. Das Alterungspotenzial gehört in meinen Augen nämlich zu den entscheidenden Kriterien, wenn die Rede von einem lediglich sehr guten oder einem großen Wein ist. Die 2013er haben in jedem Fall das Zeug dazu, zu den letzteren zu gehören.
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