Blog Sommelier Alfred Voigt über die Hysterie um das Weingut Keller aus Flörsheim-Dalsheim



von Alfred Voigt 

Lang ist es her... die Zeiten in denen im Restaurant deutscher Wein pikiert abgelehnt wurde:
„Nein, das trinken wir nicht“ „Sie wollen uns doch nicht etwa deutschen Wein anbieten!“
Allein die Franken hatten auch in den 80er Jahren die Fahne des trockenen Weins hochgehalten, ansonsten war die Qualität darnieder und die Geschmacksrichtung pappig süß. Ab Mitte der 80er Jahre kamen dann die zaghaften, aber engagierten Versuche vieler Qualitätswinzer in Deutschland eine trockene Spätlese von Riesling, Weißburgunder und Co zu etablieren.

Nun die Bezeichnung Spätlese trocken war von Beginn an zum Scheitern verurteilt – kaum ein Gast glaubte uns, das Spätlesen auch trocken sein können. Wir Sommeliers predigten das den Winzern immer wieder und verwiesen auf die Qualitätspyramide des Burgund. Da waren zwar auch nicht alle Weine gut, aber das System war klar gegliedert, selbst wenn die meisten Weinfreunde bei dem Lagenwirrwahr dort kapituliert haben.

Das mag auch ein Anreiz dafür gewesen sein, dass sich Pfälzer Winzer wie Christmann, Mosbacher, Bürklin-Wolf und andere Mitte der 90er Jahre zu konspirativen Treffen versammelten, um das heutige System des GG im VDP zu erörtern und einzuführen.  Herrn von Guradzes (damals der Ehemann von Bettina von Guradze / Bürklin-Wolf) erklärtes Ziel war es damals, dass sein Riesling aus dem Kirchenstück in Zukunft 50 DM kosten soll – trockene Spätlesen kosteten damals gute 10 DM für die Gastronomie, also ein ungeheurer Preissprung! Das waren umgerechnet 26€ - diese Marke ist heute  längst überschritten und das System von Erste Lage / GG / Gutswein und Ortswein weitgehend  etabliert, auch wenn sich viele Winzer lange dagegen gewehrt haben und auch einige deswegen aus dem VDP ausgetreten sind. Man mag zu diesem System stehen wie man will, der Aufbau ist logisch und verständlich. 

Natürlich haben es manche historisch gewachsene Geschmacksrichtungen, oder neue Rebsorten schwer, sich in das System einzugliedern, aber perfekte Systeme gibt es auch in Frankreich nicht. Die Qualität hat sich natürlich mit den Jahren deutlich gesteigert, das merkt man besonders auch im Ausland, das ja inzwischen  gesteigertes Interesse an trockenen deutschen Weinen zeigt. Nur die Preise sind mir inzwischen manchmal zu hoch, da ich der Meinung bin, dass sich gemäß der französischen Lebensweise jeder Weinfreund am Sonntag ein GG leisten können sollte.

Trotzdem habe ich  natürlich grundsätzlich nichts dagegen, das trockene deutsche Rieslinge einen gewissen Kultstatus haben sollten, doch was sich mit den Weinen des Weingutes Keller in Flörsheim-Dalsheim derzeit abspielt, ist wohl jenseits jeglicher Erklärungsversuche.
Um Missverständnissen gleich vorzubeugen: ich habe nichts gegen das Weingut Keller, die Qualität ist unbestritten und die Kellers verdienen wahrscheinlich am wenigsten von diesem Hype. Ich selbst habe in meiner Restaurantzeit dort Wein gekauft – und das zu höchst fairen Konditionen.
Ich kann aber dieses Alleinstellungsmerkmal Keller – das absolut Beste in keiner Weise nachvollziehen!

Verdammt noch mal, andere Winzer/innen haben auch schöne Töchter, sprich Weine. Frauenberg von Battenfeld-Spanier, Mandelgarten von Christmann, Fährfels von Clüsserath-Weiler, Brunnenhäuschen von Wittmann, Doosberg von Kühn, Kirchenstück von Künstler, Kastanienbusch von Wehrheim, Prälat Reserve von Ernie Loosen, Rothenberg von Kühling-Gillot, Eigenart von Max Müller I, Ungeheuer von Mosbacher, Mandelpfad von Knipser usw.usw. 
Ganz viele tolle Weine, habt doch Mut, auch diese zu Kultweinen zu machen und stürzt Euch doch nicht wie die Lemminge alle auf ein Weingut!  

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